Stellenwert der Technische Illustration

Im Zeitalter von 3D-CAD bieten sich immer mehr Möglichkeiten bei der Erstellung von Visualisierungen für die Technische Dokumentation, wodurch es für die klassische Technische Illustration jedoch wieder schwerer wird sich zu behaupten. Der Stellenwert von Abbildungen in der Technischen Dokumentation sollte inzwischen jedem bekannt sein, doch das Verständnis und die Bereitschaft, für gute Illustrationen Zeit und Geld aufzuwenden, ist nicht immer ausreichend vorhanden. Sicher ist es auch ein Stück weit nachvollziehbar, denn wie in jedem Bereich der Dienstleistungen unterliegt auch die Auftragslage für Technische Illustratoren stetigen Wellenbewegungen. Zu groß sind Zeit- und Kostenzwänge.

Fotos in der Technischen Illustration

Schon vor einigen Jahren, zu der Zeit, als Digitalkameras immer günstiger und besser wurden, musste die Technische Illustration um ihren Stellenwert kämpfen. Warum viel Zeit und Geld in technische Illustrationen investieren, wenn (sofern das Produkt bereits existiert) mit schnellen und einfachen Mitteln Fotos für die Dokumentation erstellt werden können? Das gute Fotos auch eine Menge Know-how und Zeit benötigen und für die Technische Dokumentation nicht zwingend immer die beste Wahl sind, wurde dann auch verhältnismäßig schnell erkannt und eine gute Technische Illustration entsprechend wertgeschätzt.

CAD-Daten als Basis für Technische Illustrationen

Mit einem ähnlichen Problem sieht sich die Technische Illustration seit der starken Verbreitung von 3D-CAD-Anwendungen konfrontiert. Schnell kann der Eindruck entstehen, erforderliche Abbildungen können schnell, kostengünstig und einfach durch die Konstruktion zur Verfügung gestellt werden. Beliebige Perspektiven, Blickwinkel und Baugruppenkonfigurationen lassen sich theoretisch problemlos realisieren. Sicherlich ist die Einbindung der Konstruktion(-sdaten) in die Technische Dokumentation ein guter und sinnvoller Schritt, doch ähnlich wie bei der Fotografie sind auch hier viel Fachwissen und Nacharbeit notwendig. Bei allen Vorteilen, die 3D-Modelle bieten, ist das Wissen um die Grundlagen visueller Kommunikation zur Aufbereitung guter zielgruppenorientierter Abbildungen zwingend notwendig. Richtlinien der Didaktik sind genauso wichtig wie zum Beispiel Perspektiven, Darstellungsarten, Gestaltungsrichtlinien oder Detaillierungsgrade.

Ungünstige Perspektive bzw. ungünstiger Blickwinkel

Darstellungen mit ungünstiger Perspektive, überflüssiger Spiegelung, zu vielen Farben oder zu vielen Details (Abb. abgeleitet aus Siemens Solid Edge ST7 Training).

Der erste Stolperstein bei der Nutzung von 3D-Daten liegt bereits in der CAD-Anwendung selbst. Diese Anwendungen sind nicht immer intuitiv zu bedienen und in der Regel sehr kostspielig, sodass die Technische Dokumentation nicht immer Zugriff auf eigene Softwarelizenzen besitzt.
Kostengünstige oder teilweise kostenfreie Viewer aus den entsprechenden Softwarehäusern können hier die Kommunikation zwischen der Konstruktion und der Dokumentation erleichtern, jedoch sind die Möglichkeiten zur Grafikbearbeitung und die Datenübergabe in diesen Anwendungen stark eingeschränkt. Generell gilt es bei der Datenübergabe aus CAD viel zu beachten.

Datenausgabe aus CAD-Anwendungen

Pixelbilder

Einfache Pixeldaten können von den 3D-Anwendungen recht schnell ausgegeben werden, jedoch hat man in der Regel nur sehr beschränkt Einfluss auf die Auflösung und den Produktmaßstab (oftmals handelt es sich nur um eine Art Screenshot).

Screenshot, Gespeichertes Pixelbild, Gespeichertes Pixelbild ohne Berücksichtigung des dargestellten Ausschnitts

Renderings

Etwas komfortabler und individualisierbarer wird es im Bereich des Renderings (virtuelle, grafische Ansichtsaufbereitung bis hin zum Fotorealismus). Je nach Einstellung werden jedoch hohe Anforderungen an die Hardware gestellt und der Prozess gestaltet sich sehr zeitaufwändig.
In jedem Fall sind ein gutes Auge und viel Erfahrung bei der Einstellung der Beleuchtung, der Materialien und Hintergründe der jeweiligen Szene erforderlich.

Einfaches Rendering

Vektordaten

Sobald Vektordaten benötigt werden, muss ein anderer Weg beschritten werden: Zunächst muss das 3D-Modell in der CAD-Anwendung in die 2D-Umgebung abgeleitet und dann über ein geeignetes Austauschformat für die Verwendung in nachfolgenden Programmen konvertiert werden.

Screenshot Konvertierung

Nicht alle CAD-Anwendungen bieten die Möglichkeit, das verbreitete/gängige eps-Format zu speichern, sodass ggf. nur der Umweg über universelle Austauschformate (zum Beispiel dxf, dwg oder PDF) bleibt. Das Problem bei diesen Formaten liegt zum einen in den vielen möglichen unterschiedlichen Ex- und Importeinstellungen und zum anderen in der Vielzahl der resultierenden Objekte innerhalb der Zeichnung. Eine Ableitung aus dem CAD enthält schnell mehrere tausend Objekte, die eine Nachbearbeitung aufwändig werden lassen.

Screenshot Export

Linienstärken und Textierungen

Ein weiteres Problem stellt in vielen Fällen die in der technischen Illustration übliche Verwendung von unterschiedlichen Linienstärken und Texturierungen dar. CAD-Anwendungen definieren die unterschiedlichen Linienstärken oft über Flächengrenzen im 3D-Modell, was nicht immer den gewünschten Ergebnissen in der Illustration entspricht. Weiterhin gehen Attribute beim Export in universelle Austauschformate (je nach Einstellung) schnell verloren oder führen zu Pixelanteilen in der Zeichnung.

Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass CAD-Ableitungen durchaus eine Erleichterung bei der Zeichnungserstellung bedeuten können, eine „Ein-Klick-Lösung“ ist aber noch weit entfernt. Ableitungen bieten eine gute Grundlage zur Zeichnungserstellung und lassen sich in Ausnahmen auch schon mal direkt, ohne viel Nacharbeit nutzen. Sobald jedoch Aspekte wie Maßhaltigkeit, Mehrfachverwendung oder Informationshervorhebung ins Spiel kommen oder neben der reinen Abbildung eines Produktes mit Bildern instruiert/angeleitet werden soll, ist das Know-how der Illustratoren unerlässlich.

Mit Bildern instruieren bzw. anleiten

Auch darf in Anbetracht der oftmals extrem hohen Detailtiefe und Objektzahl in einer CAD-Ableitung nach wie vor noch über alternative Zeichnungserstellung, zum Beispiel eine klassische Strichumsetzung, nachgedacht werden.

Zwar ist die Aussage „Nur Illustratoren können, was Illustratoren können“ etwas hoch gegriffen, denn sicher haben auch einige Technische Redakteure oder auch Konstrukteure Erfahrung mit der Erstellung von klassischen Technischen Illustrationen und/oder sehen diese Aufgabe als willkommene Abwechslung zu ihren eigentlichen Arbeitsbereichen, aber im Sinne der Erstellung qualitativ hochwertiger Illustrationen in adäquater Zeit, sollte man „Kernkompetenzen“ erkennen und auch entsprechend nutzen!