Es war vor ein paar Wochen eine Meldung in den Nachrichten: Das in einem speziellen Tresor geschützte Urkilogramm wird leichter. Jetzt wird so mancher erleichtert denken: „Ach, deshalb zeigt meine Waage immer mehr an, wenn ich mich daraufstelle.“

Damit sich niemand irrigen Illusionen über das eigene Gewicht hingeben kann, wurde eine Neudefinition des Kilogramms notwendig und gilt ab 20.05.2019, dem Weltmetrologietag. Und weil die zuständige internationale Generalkonferenz für Maß und Gewicht schon einmal dabei ist, werden auch gleich weitere Maße neu definiert: Das Mol für die chemische Stoffmenge, das Ampere für die elektrische Stromstärke und das Kelvin für die Temperatur.

Keine Sorge, Anleitungen müssen deshalb nicht neu geschrieben werden. Aber es ist trotzdem ein guter Anlass, um einmal über ein paar „Technische Daten“ nachzudenken, die uns die Natur grundlegend anbietet, insbesondere über das Trio Masse, Länge und Zeit, das in Zukunft zu einem Single wird.

Herleitung von physikalischen Grundgrößen

Je nach Art des beschriebenen Produkts kann die Liste der technischen Daten in der zugehörigen Anleitung sehr lang sein. Es gibt dort Grenzwerte, Kennzahlen, Deklarationen und und und. Typische technische Daten könnten zum Beispiel so aussehen:

  • Maximale Querscherbelastung: 5.000 N
  • Elektrische Leistung: 2.000 W
  • Spezifische Wärmekapazität: 4,182 kJ / (kg × K)

Aber diese Messgrößen sind alles Größen, in die eigentlich mehrere physikalische Grundgrößen (Basisgrößen) einfließen.

Die Querscherbelastung ist eine Kraft. Die Einheit der Kraft (F) ist das Newton [N]. Aber die Kraft lässt sich aus anderen Größen herleiten, also physikalisch-mathematisch zerlegen.

Kraft (F) = Masse [kg] × Beschleunigung F = m × a
Beschleunigung (a) = Änderung der Geschwindigkeit / Zeit [s] a = ∆v / t
Geschwindigkeit (v) = Weg [m] / Zeit [s] v = s / t

Der Weg ist ein Längenmaß. Das Längenmaß und die Zeit lassen sich nicht weiter zerlegen.

Für die Leistung (P) gibt es je nach Kontext unterschiedliche Einheiten, Watt [W] oder Joule pro Sekunde [J/s]

Leistung (P) = Arbeit / Zeit P = W / t
Leistung (P) = Energie / Zeit P = E / t
Arbeit (W) = Kraft × Weg [m] W = F × s

Im dritten Beispiel oben kommt noch die Temperatur hinzu. Die Einheit ist das Kelvin [K]. Die Temperatur ist ein Maß für die Bewegungsenergie, also der kinetischen Energie. Die Bewegungsenergie eines Teilchens ist durch die Geschwindigkeit und die Masse des Teilchens festgelegt.

Die Temperatur ist also keine physikalische Grundgröße, da sie noch weiter zerlegt werden kann.

Schauen wir uns die folgenden drei „traditionellen“ physikalischen Grundgrößen doch mal genauer an:

  • Länge
  • Zeit
  • Masse

Und erstaunt stellen wir fest: Ab dem 20.05.2019 bleibt nur noch eine Grundgröße davon übrig.

Das Meter

Das Längenmaß Meter wurde ab 1799 über das Urmeter aus Platin, später Platin-Iridium, definiert. Ein Stück Metall mit definierter Länge von einem Meter diente als Referenz. Alles, was genauso lang war, hatte also ebenfalls die Länge von einem Meter.

Damals wurde berechnet, dass ein Meter der zehnmillionste Teil des Abstands zwischen Nordpol und Äquator war. Die Annahme stellte sich später als falsch heraus. Das war aber nicht weiter schlimm, da letztlich nur entscheidend ist, dass man eine Referenz hat, mit der man ständig vergleichen konnte.

Die Definition des Urmeters hat aber Nachteile, die die ständige Vergleichbarkeit unmöglich machen. Das Urmeter ist temperaturabhängig und es ist vergänglich. Es wurde also eine Definition benötigt, die überall und zu jeder Zeit gilt.

Mit den Kenntnissen über Atomphysik wurde dann eine neue Definition geschaffen: Ein Meter ist ein festgelegtes Vielfaches der Wellenlänge einer Strahlung im Vakuum, die beim Zerfall von Krypton 86 entsteht. Diese Definition gilt überall im Universum und ist jederzeit reproduzierbar.

Die heute gültige Definition ist aber wesentlich einfacher: Ein Meter ist die Streckenlänge, die Licht im Vakuum während einer 1/299.792.458 Sekunde zurücklegt. Diese Definition ist deshalb heute möglich und sinnvoll, da eine Zeitmessung wesentlich genauer realisierbar ist als eine Längenmessung.

Nun nimmt diese Definition dem Meter den Rang einer physikalischen Grundgröße, da die Referenzen nun die Zeit und die konstante Lichtgeschwindigkeit sind und nicht die Länge.

Die Sekunde

Die Sekunde ist die Einheit der Zeit, der 14.400ste Teil eines Tages. Diese Definition ist sehr alt und würde heute sicherlich nicht noch einmal so festgelegt.

Physikalisch ist die Zeit eine Messgröße, die an die Zunahme der Entropie gekoppelt ist und dadurch immer in eine Richtung unumkehrbar weiterläuft. Die Definition der Zeit erfolgt wie beim Urmeter über eine Referenz:

Zeit ist das, was eine Uhr misst.

Heutzutage messen die genauesten Uhren die Zeit mit einem Fehler von maximal einer Sekunde Abweichung in etwa 20.000.000.000 Jahren. Die aktuelle Uhrzeit wird über 250 Atomuhren weltweit bestimmt, deren mittlere Uhrzeit definiert die aktuelle Uhrzeit.

Das Kilogramm

Das Kilogramm als Einheit der Masse wurde seit 1889 über das Urkilogramm aus einer Platin-Iridium-Legierung definiert. Hier gibt es also genau die gleichen Probleme wie beim Urmeter. Das Urkilogramm wird alle 50 Jahre überprüft. Bei den Prüfungen wurde festgestellt, dass das Urkilogramm im Vergleich zu seinen Kopien leichter geworden ist. Die Ursache ist bisher unbekannt.

Ab dem 20. Mai 2019 gilt für das Kilogramm eine neue Definition. Es wird über die Planck’sche Konstante, die Lichtgeschwindigkeit (auch eine Konstante) und die Zeit definiert. Nun also vollständig über zwei Naturkonstanten und eine Referenz auf die Zeit. Auch das Kilogramm verliert so den Rang einer physikalischen Grundgröße.

Hier spielen zwei berühmte Gleichungen eine große Rolle:
E = m × c²  (Energie ist gleich Masse mal Lichtgeschwindigkeit zum Quadrat)

und

E = h × f  (Energie ist gleich Planck’sche Konstante mal Frequenz)

m = (h × f) / c²

Die Frequenz ist mathematisch der Kehrwert der Zeit [1 / t].

Die Kilogramm ist dann nach dieser Definition wie das Meter jederzeit und an jedem Ort berechenbar.

Das Maximum und das Minimum in der Physik

Maxima und Minima sind oft in technischen Daten zu finden. Auch die beiden bereits genannten Naturkonstanten sind ein Maximum und Minimum.

Geschwindigkeit erleben wir im Alltag als veränderlich. Doch es gibt hier ein Maximum. Die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum ist die maximal erreichbare Geschwindigkeit und beträgt 299.792.458 m/s. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, das Meter über eine Naturkonstante und die Zeit als Referenz zu definieren.

Die Planck’sche Konstante (das Planck‘sche Wirkungsquantum h) ist das konstante Verhältnis des minimalen Energieumsatzes zur Schwingungsfrequenz in einem harmonisch schwingenden System. Also die kleinste Portion (Quantum), in der Energie übertragen werden kann. Die Planck’sche Konstante beträgt 6,626 070 040 × 10−34 Js oder 6,626 070 040 × 10−34 (kg×m²)/s. Dadurch ergibt sich auch hier die Möglichkeit, das Kilogramm über physikalische Naturkonstanten zu definieren. Auch hier bleibt die Zeit als Referenz.

Fazit

Zeit ist das, was eine Uhr misst. Alles Weitere ergibt sich.