Der Jahrgang M. Sc. 28 des Studiengangs „Technische Kommunikation“ berichtet von seinem Rundgang auf dem Stahlwerk Phoenix-West.
Majestätisch thront es gegenüber des tecteam-Gebäudes: Das Stahlwerk Phoenix West. Bereits in der ersten Präsenzwoche im Juni faszinierte uns vom M. Sc.-Jahrgang 28 die Silhouette des längst geschlossenen Stahlwerks. Im Rahmen unseres Studiengangs „Technische Kommunikation“ waren wir für eine Woche zu Gast bei tecteam in Dortmund. Und jedes Mal, wenn wir am Stahlwerk vorbeigingen, diskutierten wir darüber, wie toll es sein müsste, dort oben herumzulaufen und die Aussicht zu genießen.
Schwindelerregende Höhe
Somit stand für unsere zweite Präsenzwoche fest: Wir werden das Stahlwerk inklusive Skywalk besichtigen. Gesagt, getan. Unsere Kollegen vom M. Sc. 29, beziehungsweise die eine Kommilitonin, die sich traute, nahmen wir gleich mit. Unsere Tourbegleiterin Heike Regener warnte uns davor, dass die Höhe des Stahlwerks eine Herausforderung sei. Und tatsächlich war es einigen von uns schummerig, als wir nach unserem Aufstieg endlich oben auf dem Skywalk angekommen waren.
Bald jedoch genossen wir den Blick auf Dortmund, der sich uns über dem ehemaligen Gichtgasrohrs des Stahlwerks bot. Westfalenstadion, Liebfrauenkirche, Dortmunder U: Alles lag in unserem Blickfeld. Über Rohre, Brücken und Leitungen führte uns der Weg weiter im ehemaligen Stahlwerk.
Ehrfürchtige Atmosphäre wie in einer Kathedrale
Bereits von unten war das Stahlwerk beeindruckend gewesen, doch es war nichts im Vergleich zu den beiden ehemaligen Hochöfen, die sich in fast 100 Metern Höhe vor uns auf dem Skywalk erhoben. Im Vergleich zu ihnen wirkte unsere Gruppe klein wie Ameisen.
Als die Hochöfen noch in Betrieb waren, wurde in ihnen Eisenerz zu Roheisen geschmolzen – bei Temperaturen von 1600 °C. Damit der Hochofen nicht mitschmolz, musste dieser von innen mit Steinen ausgekleidet werden. Diese wären durch Auskühlung gesprungen, hätte der Hochofen nicht kontinuierlich alle vier Stunden mit Material bestückt werden können.
Vor einer erneuten Inbetriebnahme hätten sie ausgetauscht werden müssen. Keine gute Idee bei einem Wert von 8.000 Mark pro Stein. Deshalb waren auf dem Gelände immer Eisenerz sowie Koks zum Befeuern gelagert. Tag und Nacht liefen die Öfen. Alle vier Stunden wurde Roheisen abgelassen und der Hochofen mit Eisenerz und Koks wiederbefüllt.
Der durch den Abtransport des glühenden Roheisens rote Himmel hatte die Kinder Dortmunds entzückt: Sie glaubten, Engel würden bereits die Plätzchen für Weihnachten backen.
Durch das enge Abstichsloch, durch das früher das geschmolzene Roheisen hinausfloss, kletterten wir in einen der Hochöfen. Sein oberer Bereich wurde schon demontiert, sodass heute Licht hineinfällt, wo früher Dunkelheit herrschte. In seinem Innern wirkten wir verschwindend klein. Dort wo wir in der Abendluft standen, umgeben von riesigen Wänden wie in einer Kathedrale, war es früher unerträglich heiß.
So heiß, dass ein Ingenieur, der einmal die Ventile des Ofens reparieren musste, nach dieser Arbeit kündigte, denn er hatte Angst, eine solche Reparatur, unter diesen Bedingungen, kein zweites Mal zu überleben.
Bewegende Vergangenheit
Früher war die Arbeit im Stahlwerk hart und hatte die Menschen massiv geschädigt. Haltungsschäden, Staublunge und andere körperliche Beeinträchtigungen waren bei den Arbeitern die Regel. Manche ließen in den Stollen und beim Abbau der für Stahl notwendigen Erze ihr Leben oder starben durch die Hitze und giftigen Ausscheidungen des Werks.
Und trotzdem: Als das Stahlwerk nach China verschifft wurde, traf es die Arbeiter hart. Teilweise sabotierten sie sogar den Abbau des Werks, wollten ihr Werk nicht verschifft und weggeschleppt sehen. Regelmäßig brechen bei Führungen ehemalige Stahlarbeiter in Tränen aus, wenn sie das Werk noch einmal betreten, berichtete Heike Regener.
Warum, wo die Arbeit dort doch so schlimm war, dass sie die Beschäftigten massiv schädigte? Die Arbeiter hatten etwas, das sie später vermissten: Die Kameradschaft mit ihren Arbeitskollegen. Jeder der Arbeiter war bereit für den anderen sein Leben zu riskieren. In einer Situation auf Leben und Tod hätte jeder stets versucht, den anderen zu retten – ohne zu überlegen und ohne Kompromisse.
Wie prägend das ist, das weiß auch Heike Regener aus ihrer eigenen Familiengeschichte: Ihr Großvater litt bereits mit 43 Jahren an Staublunge und konnte sich nur noch sehr langsam bewegen. In Gedanken war er jedoch viele Stunden bei seinen Kameraden und dem Stahlwerk, wie sie weiß.
Atemberaubender Ausblick in der Dunkelheit
Wir erkunden das Stahlwerk weiter, klettern bis auf die höchste Etage – auf einem Weg, auf dem wir damals ohne Schutzausrüstung gestorben wären. Die Hitze und das ausströmende Gichtgas hätten uns innerhalb weniger Minuten getötet, wie uns Heike Regener erklärte.
Ganz oben angekommen, dort, wo vor nicht langer Zeit ein „Tatort“ gedreht wurde, liegt uns Dortmund nochmals zu Füßen: Wunderschön funkelt uns die Stadt mit ihrer Nachtbeleuchtung in der Dunkelheit entgegen. Wir genießen den Blick noch eine ganze Zeit, bevor wir uns schließlich an den Abstieg und auf den Heimweg machen.
Gehen wir jetzt an den Hochöfen vorbei, bewundern wir sie noch mehr: Ihre symmetrische Schönheit, die auch der Rost nicht beeinträchtigt. Ihre ausgefeilte Ingenieurskunst, die das Arbeiten dort ermöglichte. Vor allem aber begeistert uns, die Vergangenheit und Geschichte des Stahlwerks und die seiner Arbeiter.
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