Auf der tekom-Jahrestagung 2019 wurde das kreative „nicht-lineare-Denken-dürfen“ in unserer Veranstaltung „Intelligente Systeme intelligent befüllen – dumme Ergebnisse verhindern“ von vielen Teilnehmern sehr positiv angenommen.
Es wurden Kreativitätstechniken vorgestellt, eingeübt und dann spielerisch für das Finden und Sammeln von Ordnungssystemen und ihren Eigenschaften (Taxonomien und Metadaten) verwendet.
Genauso groß war das Interesse, die kreativen Ergebnisse aus der Veranstaltung wieder aufzunehmen und den zweiten Schritt zu gehen: die gesammelten Ideen – nun wieder mit linearem Denken – zu sortieren, zu gruppieren, zu gewichten und zu hierarchisieren.
Teil 1 – kreatives Arbeiten im nicht-linearen Betriebsmodus des Gehirns
Kopfstand-Technik
Wenn Sie die Veranstaltung auf der tekom-Jahrestagung 2019 nicht besuchen konnten und den nicht-linearen Betriebsmodus Ihres Gehirns einmal schnell für sich ausprobieren möchten, dann verwenden Sie die „Kopfstand“-Technik:
- Notieren Sie sich eine Fragestellung oder Problem als Zielvorgabe.
- Formulieren Sie das komplette Gegenteil Ihres notierten Ziels.
Beispiel:
Sie benötigen sprechende und knappe Dateinamen für Ihre Module oder Dateien, damit andere Mitarbeiter beim ersten Blick auf die Bezeichnung wissen, was der Inhalt, die Art und der Zweck der Informationseinheit „Modul“ oder „Kapitel“ ist. Umgekehrt formuliert lautet die Aufgabe nun, als Frage formuliert: Wie kann ich sicherstellen, dass der Dateiname so nichtssagend und vage ist, dass garantiert niemand wissen kann, was sich darin befindet und der Name komplett nutzlos ist? - Sammeln Sie diese sogenannten „nutzlosen“ Ideen und lassen Sie sich von Ihrer guten Laune mitreißen, wenn Ihnen besonders „gelungene nichtssagende vage“ Dateinamen einfallen. Je absurder, umso besser! Alles Falsche ist richtig! Wichtig ist: Lassen Sie Ihr Gehirn „spielen“ und lassen Sie die Notizen mindestens für eine längere Pause lang liegen.
- Nach der Pause nehmen Sie sich Ihre Notizen und die ursprüngliche positive Zielformulierung zur Hand. Entdecken Sie anhand der Negativ-Liste im Gegenteil eine Positiv-Liste und entdecken Sie, dass Sie nach der Kreativitätsübung mit ihrer aktuellen Aufgabe besser zurechtkommen, denn Ihr Verstand hat in der Pause entspannt „weitergearbeitet“.
Analogie-Technik und Bilder-Technik
Wenn Sie mehr Zeit zur Verfügung haben, „spielen“ Sie Ihre Aufgabenstellung in einem anderen, verfremdeten Kontext mit der Analogie-Methode durch.
In dem Workshop auf der tekom-Jahrestagung 2019 wurde die Programmierung einer Anwendung in einem Sci-Fi-Szenario vorgestellt.
Als Analogie zur Aufgabenstellung „Modularisieren und Klassifizieren für ein CMS“ soll im Spiel in erster Linie die menschliche Bekleidung als Content verwendet werden, der klassifiziert werden muss. Die Metadaten zur menschlichen Bekleidung aus der Perspektive eines Außerirdischen stellen die Analogie zu den Metadaten in einem CMS dar. Die Sicht des Außerirdischen auf die menschliche Realität miteinzubeziehen, bietet die Möglichkeit, auch die Informationsarten zu klassifizieren.
Im Spielszenario werden die Teilnehmer in einer weit entfernten Zukunft aus dem Kryoschlaf erweckt, als Experten für die Programmierung einer Anwendung für Außerirdische. Alles menschliche Wissen zur menschlichen Bekleidung soll in einer Datenbank erfasst werden, folgende Fragen sind zielführend, um Kategorien, Klassen und Metadaten für die Datenbank der Außerirdischen zu sammeln:
- Welche Arten von Kleidung gibt es, in welchen Qualitäten, für welche Zwecke?
- Was für Eigenschaften der menschlichen Bekleidung und der jeweiligen Kontexte zur Verwendung sind relevant, wenn sich ein Außerirdischer unauffällig und situationsangemessen wie ein Mensch bekleidet unter Menschen bewegen soll?
Zusätzlich wurde bei der Veranstaltung die Bilder-Technik angewandt; hierzu benötigt man lediglich eine große Auswahl an Bildern, die betrachtet werden und zu denen Assoziationen gesammelt werden. Dies können Sie auch bei sich daheim ausprobieren:
Betrachten Sie Bilder, die Menschen bekleidet in den verschiedensten Umgebungen zeigen und die auch die Lebensbedingungen der Menschen zeigen. Notieren Sie hierzu ihre Assoziationen, welche „Zwecke“ und „Eigenschaften“ menschliche Kleidung in diesen Umgebungen hat. Notieren Sie die Ergebnisse und lassen Sie diese mindestens einen Tag ruhen. Im Workshop auf der tekom-Jahrestagung konnte aus Zeitgründen leider nur eine kurze Pause gemacht werden. Die Notizen aus der Veranstaltung der tekom-Jahrestagung und die Folien der Veranstaltung finden Sie unter „Literatur und Materialien“.
Bitte schlagen Sie die Notizen aus der Veranstaltung nur nach, wenn Sie selbst schon eine Liste erstellt haben – Sie vergeuden sonst eine Chance für sich selbst!
Teil 2 – Ergebnisse „ernten“, sortieren, aufbereiten – wieder im „linearen Betriebsmodus“ des Gehirns
Nach einer längeren Pause, idealerweise einem Tag, kommt wieder der „lineare“ Betriebsmodus Ihres Gehirns zum Einsatz. „Ernten“ Sie nun, also nehmen Sie Ihre eigenen Notizen (hilfsweise die Datei aus der Veranstaltung) und fangen Sie zunächst an, diese Notizen zu sortieren:
- Was lässt sich zusammenfassen und was lässt sich aussortieren, vielleicht gibt es verschiedene Ausdrücke für das Gleiche und manches kann gelöscht werden?
- Gibt es Notizen, die mehrdeutig sind und woraus sich zwei oder mehr verschiedene Notizen machen lassen?
- Welche Notizen gehören in eine „Gruppe“, was lässt sich einander zuordnen? Warum treffen Sie diese Zuordnung, fallen Ihnen auch andere Zuordnungen ein?
- Wenn Sie nach Oberbegriffen für die Gruppen suchen, welche (Kategorien) fallen Ihnen ein? Sind möglicherweise schon Hierarchien erkennbar, können Sie Hauptgruppen und Untergruppen erkennen?
Sobald Sie die Notizen sinnvoll gruppiert haben, sortieren Sie die Gruppen gemäß Nummer 5 und Nummer 6, möglicherweise bilden Sie erneute Gruppen dabei: - Welche der Gruppen oder Kategorien oder welche einzelnen Notizen/Ideen haben direkt mit der Produktpalette „Kleidung“ zu tun und können als „intrinsische Merkmale“ bezeichnet werden, also unveränderliche wesentliche Merkmale? Diese Ergebnisse helfen Ihnen bei der Erstellung einer Taxonomie des Contents „Bekleidung“, analog einer Klassifizierung der „Produkte“ und der intrinsischen, produktbezogenen Metadaten.
- Welche der Gruppen oder Kategorien oder welche Stichworte haben nicht direkt, unmittelbar mit dem Produkt Bekleidung, sondern eher mit anderen Aspekten zu tun, zum Beispiel mit der Anwendung der Kleidung, der Funktion, der Umgebung, der Situation, Anforderungen des Alienprogramms, Verhalten des Aliens, einer Maschine oder des Menschen? Diese Ergebnisse helfen Ihnen bei der Erstellung einer Klassifizierung von „Informationsarten“ und bei der Suche nach extrinsischen Metadaten.
Beispiel für einen Zwischenschritt bei der „Sortierung“; Ihre Notizen könnten auch anders aussehen, es gibt hier nicht die eine, richtige Lösung:
„intrinsische“ Metadaten
für einer Taxonomie der Produktpalette „menschliche Kleidung“ geeignet |
auf den Anwendungskontext bezogene Metadaten, extrinsische Metadaten | |||
auf den menschlichen Körper bezogene Metadaten |
auf Kleidungsobjekte bezogene Metadaten |
auf die physikalische, äußere Umgebung bezogene Metadaten | auf die Handlungsfunktion und die Motivation bezogene Metadaten | …? |
… | … | … | … |
… |
Ende und Anfang
Gönnen Sie Ihrem Verstand einmal eine „Kur“; führen Sie die Tätigkeiten, die Sie im Büroalltag machen, wie hier beschrieben, einmal mit Kreativitätstechniken in einem analogen Kontext mit Freude durch. Wenn Sie Gefallen an dem Außerirdischen-Spiel gefunden haben: Probieren Sie es selbst einmal aus.
Kehren Sie nach diesen Übungen zu Ihrer Arbeit zurück, so wird Ihnen die Arbeit nicht nur leichter fallen, weil Sie die Aufgabenstellung „eingeübt“ haben. Es bringt Ihnen nicht nur Spaß und Motivation für das Thema, sondern auch nützliche Einfälle für Ihre Aufgaben. Es vertieft Ihr Verständnis für abstrakte Begriffe und Zusammenhänge.
Dies ist zumindest meine Erfahrung aus verschiedenen Seminaren zum Thema Modularisieren und Klassifizieren; die positive Erfahrung mit der Kopfstand-Technik und mit Analogien oder Verfremdungen als Hilfsmittel waren auch letztlich die Ursache und Motivation, eine Veranstaltung „Intelligente Systeme intelligent befüllen“ zu erstellen.
Nachbetrachtung zur tekom-Jahrestagung 2019
Das Echo auf die Veranstaltung war so positiv, dass tecteam diese Veranstaltung von nun an auf Anfrage anbietet.
Im März 2020 ist eine Regionalgruppenveranstaltung hierzu in Planung.
Literatur und Materialien
- Gerald Hüther: Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn. Vandenhoeck & Ruprecht 2016
- Mihaly Csikzentmihalyi: Flow und Kreativität, Wie Sie Ihre Grenzen überwinden und das Unmögliche schaffen, Klett-Cotta, zweite Auflage 2015, ISBN 978-3-608-94822-6
- Jiri Scherer: Kreativitätstechniken, In 10 Schritten Ideen finden, bewerten, umsetzen, GABAL Verlag GmbH Offenbach, zweite Auflage 2009, ISBN 978-3-89749-736-8
- Wortliste aus der Veranstaltung tekom-Jahrestagung
- Vortragsfolien zur Veranstaltung tekom-Jahrestagung
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