Für viele Unternehmen bietet sich durch die Einführung eines Component-Content-Management-Systems (CCMS) die optimale Lösung, den gestiegenen Anforderungen im Redaktionsprozess gerecht zu werden. Die damit einhergehenden Veränderungen stoßen bei den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jedoch häufig auf Widerstand. Sie müssen alte Gewohnheiten aufgeben, neue Kompetenzen erwerben oder sich in neue Rollen und Aufgaben einfinden. Damit die Implementierung ein Erfolg wird, muss jedoch nicht nur das „harte Projektziel“ umgesetzt, sondern auch die Ebene der „weichen Faktoren“ beachtet werden.
In vorderster Reihe
„Die Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb ist wie ein Fahrradrennen: Erst fällt man zurück, und dann fällt man um. Also sollten wir alle weiter in die Pedale steigen“, proklamierte Hörst Köhler zur Jahrestagung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) 2008. Klingt nach einer schweißtreibenden Angelegenheit. Klar ist: Um nicht auf der Strecke zu bleiben, sind Unternehmen mehr denn je gezwungen, sich den zunehmend komplexen veränderten Umwelten anzupassen. Die Technische Redaktion bildet hier keine Ausnahme. Die steigende Vielfalt an produktbezogenen Informationen und die immer kürzer werdenden Produktlebenszyklen in einer globalisierten Wirtschaft haben auch nachhaltige Veränderungen in der Informationsentwicklung mit sich gebracht. Um der wachsenden Informationsflut standhalten zu können, reichen die bisherigen Arbeitsweisen und die eingesetzten Werkzeuge oft nicht mehr aus. Für viele Unternehmen liegt der Schlüssel zur Lösung in einem Component-Content-Management-System. Auf dem Papier ergibt sich daraus eine einfache Rechnung: Produktivitäts- und Qualitätssteigerung bei gleichzeitiger Kostensenkung und Aufwandsreduzierung. Dennoch scheitern viele Unternehmen bereits bei der Einführung oder haben mit kostspieligen Verzögerungen zu kämpfen. Die Frage nach dem Warum ist nicht immer einfach zu beantworten und sicher auch für jeden Einzelfall von individuellen Faktoren abhängig. Zwei wichtige Aspekte werden jedoch oftmals übersehen: Veränderungsprozesse sind komplex und funktionieren deshalb nicht von allein – sie benötigen ein nachhaltiges Veränderungsmanagement. Und: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nicht nur Objekte der Veränderung. Sie sind die Profis und Experten – und damit die wichtigsten Beteiligten. Werden die Veränderungen intern abgelehnt, haben sie auf Dauer keine Chance.
Die wahre Herausforderung ist nicht die Technik, sondern der Mensch
Die Umstellung auf ein CCMS ist in jedem Fall ein Veränderungsprojekt, das auch als solches gemanagt werden sollte. Werden solche Veränderungen ungesteuert vorgenommen, ist die Erfolgswahrscheinlichkeit gering, selbst wenn die dahinterstehende Idee sinnvoll ist. Genau an diesem Punkt setzt Veränderungsmanagement an. Veränderungsmanagement ist ein systematischer Ansatz für den gezielten und wirkungsvollen Umgang mit Veränderungen, der sowohl die Perspektive eines Unternehmens als auch die individuelle Ebene der Mitarbeitenden berücksichtigt. Dafür ist es natürlich einerseits wichtig zu wissen, welche grundsätzlichen Werkzeuge und Methoden überhaupt zur Verfügung stehen und wie diese optimal auszuwählen sind. Im Mittelpunkt des Veränderungsmanagements stehen jedoch die Menschen als entscheidender Faktor. Viele Unternehmen unterschätzen weiterhin, dass die erfolgreiche Umstellung auf eine Content-Management-Infrastruktur weniger von der Software, sondern vielmehr von den sozialen Strukturen und sogar psychologischen Aspekten abhängt. Schließlich handelt es sich um ein Projekt, das unmittelbar gravierende Veränderungen der etablierten Denkweisen und Arbeitsnormen mit sich bringt. Menschen gelten nicht umsonst als „Gewohnheitstiere“. Bekannte Abläufe aufgeben zu müssen ist im ersten Moment beängstigend, überflüssig und mit viel Aufwand verbunden. Aus diesen Empfindungen resultieren oftmals Ärger und Aggressionen. Gleichzeitig wächst der Druck, den neuen Leistungsanforderungen gerecht werden zu wollen. Dies führt natürlich zu Widerstand. Wenn Veränderungen Menschen aus ihren gewohnten Mustern reißen, ist es daher wichtig, dass sie bei diesem Prozess begleitet, informiert, einbezogen und unterstützt werden.
„Der Mensch ist ein mittelmäßiger Egoist. Selbst der Klügste nimmt seine Gewohnheiten wichtiger als seinen Vorteil.“ Friedrich Nietzsche
Veränderungen rufen Verunsicherungen hervor
„Bislang sind wir doch auch ohne gut klargekommen“, „Das System ist unpraktisch“ oder „Das wird bei uns so nicht funktionieren“.
Kommen Ihnen diese Aussagen bekannt vor? Mit Sicherheit haben Sie schon so oder in einer ähnlichen Situation Bekanntschaft mit Widerstand gemacht und sich geärgert: Warum geht die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter nicht mit? Widerstände können komplex, schwierig und emotional sein. Oft besteht einfach (noch) kein ausreichendes Problemverständnis, gerade wenn die Notwendigkeit zur Veränderung noch nicht absehbar ist. Die Mitarbeitenden erleben in ihrem Alltag, dass noch alles so, wie es bisher lief, gut funktioniert. Der erste Impuls ist in der Regel, die unangenehmen Diskussionen einfach auszuklammern. Wenn noch dazu Zeitdruck herrscht – und der herrscht praktisch immer –, erscheinen kritische Stimmen wie ein Klotz am Bein. Widerstände zu ignorieren oder klein zu reden, ist jedoch keine gute Lösung – denn der Widerstand verschwindet so nicht, er ist nur weniger sichtbar. Veränderungen im Unternehmen gelingen nur, wenn alle Beteiligten sie akzeptieren und mittragen. Für einen konstruktiven Umgang mit Widerstand ist es daher entscheidend, ihn sich aktiv bewusst zu machen und den Ursachen auf den Grund zu gehen. Denn wer nicht versteht, weshalb Menschen opponieren, kann diese zwar ruhigstellen, aber auf Dauer nicht gewinnen. Die Gründe für eine Ablehnung sind dabei vielfältig und beschränken sich keineswegs auf fachliche oder organisatorische Bedenken.
„Anyone who tells you it is easy to change the way people do things is either a liar, a management consultant, or both.“ (The Economist)
Zunächst gilt es zu erkennen: Die negative Haltung gegenüber Veränderungen ist jedem Menschen von Natur aus gegeben und somit auch eine normale Begleiterscheinung jedes Veränderungsprozesses. Gewohnheiten und Routinen vermitteln uns ein Gefühl von Stabilität und Sicherheit. Wir haben Erfahrung mit dem, was wir tun müssen und sind weitgehend vor Überraschungen und unbeherrschbaren Anforderungen sicher. Ist die Komfortzone jedoch in Gefahr, neigen wir impulsiv dazu, sie verteidigen zu wollen, anstatt uns plötzlich auf Neues einstellen zu müssen. Sachliche Argumente bewirken hier allerdings selten einen Haltungsumschwung. Denn der Ursprung des Zweifels ist ja eine sachlich nicht zu begründende Angst.
Ein gegensätzliches Bedürfnis zur Sicherheit ist das Bedürfnis nach Autonomie. Die Mitarbeitenden fühlen sich übergangen, weil sie nicht in die Entscheidung mit eingebunden wurden oder aber das neue System wird als Einschränkung der bisherigen Freiheiten aufgefasst. Gleichzeitig werden die bisherigen Normen und Gewohnheiten aufgewertet und gewinnen an Bedeutung. Ziel des Widerstands ist dann die Wiederherstellung der alten Freiheit oder aber das Finden neuer Freiheiten.
Leider sind die Symptome für Widerstand nicht immer leicht zu erkennen und werden in manchen Fällen auch nicht verbal geäußert. Menschen widersetzen sich Veränderungen auf vielfältige Weise, sowohl passiv als auch aktiv. Schweigen oder Lustlosigkeit und Krankmeldungen können genauso ein Ausdruck von Widerstand sein wie lautstarke Gegenargumentationen und Vorwürfe. Die Widerstandsmuster sind den Beteiligten dabei oft selbst nicht bewusst und werden in den meisten Fällen auch nicht böswillig eingesetzt. Sie werden nicht einmal als Widerstand erkannt.
Persönlichkeitstypen und Widerstandsmuster berücksichtigen
Wie Menschen bei Neuerungen vorgehen, ist Teil ihrer Persönlichkeit. Das Veränderungsmanagement bietet hierzu verschiedene Modelle und liefert damit praktischerweise die Lösungsstrategien gleich mit. Eine bekannte Matrix nach Mohr, Woehe und Diebold unterscheidet vier verschiedene Gruppierungen von Menschen anhand ihrer persönlichen und sachlichen Vorbehalte. Persönliche Vorbehalte ergeben sich beispielsweise aus der Angst um Jobverlust oder Statuseinbußen, sachliche Vorbehalte umschreiben unter anderem die Befürchtung, dass die Umstellung keine Effizienzsteigerung erbringt. Die Prozentangaben geben reine Durchschnittswerte wieder, die sich jedoch abhängig von dem allgemeinen Verhältnis und der Kommunikationsleistung zwischen Management und Belegschaft stark unterscheiden können.
Die Promotoren
Am Anfang wird das Veränderungsvorhaben von den meisten abgelehnt. Nur etwa fünf Prozent der Mitarbeitenden zählen zu den Befürwortern (Promotoren) und sind von der Vorteilhaftigkeit der Maßnahmen überzeugt. Sie schätzen die sachlichen und persönlichen Risiken als gering ein und stehen dem Veränderungsprozess positiv gegenüber. Das heißt aber nicht, dass ihnen keine Aufmerksamkeit zuteilwerden sollte. Sie können wertvolle Unterstützer sein und sollten früh in die Veränderungsprozesse mit einbezogen werden, um weitere Kolleginnen und Kollegen zu überzeugen und mit „ins Boot zu holen“.
Die Skeptiker
Die Skeptiker bewerten die sachlichen Risiken als außerordentlich hoch und wenden sich mit reinen Sachargumenten gegen den Veränderungsprozess. Sie stellen die Wirksamkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen in Frage oder befürchten eine Verschlechterung der aktuellen Situation. Die Bewertung ihrer persönlichen Risiken spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Skeptiker können dementsprechend nur durch sachliche Argumente von der Qualität und Notwendigkeit der Veränderungsmaßnahme überzeugt werden. Sind ihre Einwände berechtigt, sollten diese diskutiert und im Sinne des Projektes berücksichtigt werden. Denn Mitarbeitende, die merken, dass ihre Argumente ernst genommen werden und zu einer Verbesserung führen, werden sich unter Umständen sogar stärker engagieren.
Die Bremser
Die Bremser haben starke persönliche Vorbehalte. Sie stehen der Veränderung negativ gegenüber, obwohl sie die Notwendigkeit vielleicht erkennen. Häufig verbergen sich Bremser durch Sachargumente unter dem Deckmantel des Skeptikers. In der Regel spielen hier Ängste eine Rolle. Diese gibt niemand gern offen zu, daher sind oftmals Gespräche unter vier Augen notwendig, um zum Kern des Widerstandes vorzudringen. Bremser müssen bestärkt und ermutigt werden. Um sie zur aktiven Mitarbeit zu bewegen, müssen sie besonders die persönlichen Vorteile der Veränderung erkennen.
Die Widerständler
Die letzte Gruppe ist die der Widerständler. Sie fürchten persönliche und sachliche Risiken gleichermaßen stark, was sie häufig dazu veranlasst, ihren aktuellen Status aggressiv zu verteidigen oder sogar das Unternehmen zu verlassen. Widerständler sind kaum von der Veränderungsmaßnahme zu überzeugen. Der Aufwand dafür ist hoch und erfordert dauernde Beobachtung. Es ist daher fraglich, ob es sich überhaupt lohnt, sie zu überzeugen. Da sie oftmals Initiatoren von negativem „Flurfunk“ sind, geht es bei ihnen vor allem darum zu verhindern, dass sie schlechte Stimmung machen und andere Mitarbeiter auf ihre Seite ziehen.
Fazit
„Kapital lässt sich beschaffen, Fabriken kann man bauen, Menschen muss man gewinnen.“ (Hans Christoph von Rohr)
Bei der Einführung eines Component-Content-Management-Systems fehlt oft der Blick Richtung Mitarbeitende. Für eine erfolgreiche und vor allem nachhaltige Umsetzung ist es jedoch wichtig, dass die Veränderungen nicht nur technisch, sondern auch menschlich gelingen und alle an einem Strang ziehen. Dabei gilt es vor allem, zuzuhören und Raum für Bedenken zu lassen. Oftmals vermittelt bereits das Gefühl, gehört zu werden, die nötige Sicherheit und Veränderungsbereitschaft. Nehmen Sie sich Zeit für die Kommunikation und beziehen Sie die Mitarbeitenden in die Veränderungsprozesse mit ein. Dabei geht es nicht nur darum, mögliche Widerstände abzubauen. Denn so paradox das klingen mag: Widerstand ist vielleicht zunächst unbequem, aber vor allem ist er eine gesunde Kraft. Arbeiten Sie mit, statt gegen den Widerstand und entwickeln Sie gezielt eine positive Veränderungsdynamik. Und: Widerstand ist als Informationsquelle nutzbar. Wer ihn ignoriert, lässt eine wichtige Ressource ungenutzt, denn er gibt Aufschluss über die Bedürfnisse und Bedenken der Mitarbeiter.
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