Weltweit können Millionen Menschen weder lesen noch schreiben – und auch in Deutschland ist Alphabetisierung ein Thema. Vielen ist nicht bekannt, dass (laut Bundesministerium für Bildung und Forschung) rund 14 Prozent der erwerbsfähigen Deutschen funktionale Analphabeten sind. Das bedeutet, dass sie zwar einzelne Sätze lesen und schreiben, nicht jedoch zusammenhängende Texte verstehen können.

Bild: Anteil funktionaler Analphabeten nach Branche nach der Level-One-Studie der Universität Hamburg aus dem Jahr 2011.

Bild: Anteil funktionaler Analphabeten nach Branche (Quelle: Level-One-Studie der Universität Hamburg aus dem Jahr 2011)

Probleme beim Verstehen von Texten haben außerdem Menschen, für die Texte aufgrund organischer oder psychischer Beeinträchtigungen eine Herausforderung darstellen. Gemeinsam ist all diesen Personengruppen, dass ihre gesellschaftliche Teilhabe dadurch zum Teil erheblich eingeschränkt ist. Um dem entgegenzuwirken, werden zunehmend Informationen auch in vereinfachter Sprache bereitgestellt, beispielsweise als Zusatzangebote auf Nachrichtenportalen oder auf Websites der Behörden, gekennzeichnet als Texte in „Leichter Sprache“ beziehungsweise in „Einfacher Sprache“.

Bild: Navigationsleiste der Website des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales

Bild: Navigationsleiste der Website des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales

Ziele und Anwendungen Leichter Sprache und Einfacher Sprache

Was versteht man unter „Leichter Sprache“, was unter „Einfacher Sprache“? Die Bezeichnungen werden häufig synonym verwendet und in vielen Fällen ähneln sich die in Leichter Sprache oder in Einfacher Sprache verfassten Texte. Es handelt sich jedoch um zwei sich in ihren Zielen und Anwendungen unterscheidende Konzepte.

Leichte Sprache

Seit einiger Zeit ist bei der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) auch die Sprache als mögliche Barriere anerkannt. Die UN-BRK verpflichtet zu barrierefreier Information und Kommunikation für Menschen mit Behinderungen. Eine Maßnahme, um dieser Verpflichtung nachzukommen, ist es, Texte neben normaler Sprache auch in Leichter Sprache anzubieten.

Leichte Sprache hat das Ziel, Fachsprache zu vereinfachen und Sachinformationen so zu übermitteln, dass möglichst viele Menschen mit Schwierigkeiten beim Lesen normaler Texte sie verstehen können.

Um eine gleichbleibende Textqualität zu sichern, gibt es für Leichte Sprache ein umfassendes Regelwerk, erstellt vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Leichte Sprache. Geprüfte Texte in Leichter Sprache sind zudem mit einem Prüfsiegel versehen, beispielsweise mit dem Gütesiegel für Texte in Leichter Sprache von Inclusion Europe: (Quelle: https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=5951934)

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oder mit dem Prüfsiegel der Forschungsstelle Leichte Sprache der Universität Hildesheim.

Einfache Sprache

Einfache Sprache richtet sich an Menschen mit unterschiedlichen Leseschwierigkeiten, zum Beispiel an funktionale Analphabeten oder Personen mit Lese- und Rechtschreibschwäche, aber auch an Menschen mit geringen Deutschkenntnissen. Texte in Einfacher Sprache wenden sich jeweils an ein konkretes Zielpublikum, das auch an der Entwicklung der Inhalte beteiligt ist. Daher gibt es hierfür kein einheitliches Regelwerk, sondern lediglich allgemeine Empfehlungen, und die Übersetzungen ermöglichen mehr Entscheidungsspielraum als diejenigen in Leichte Sprache.

Während Leichte Sprache bislang fast ausschließlich der Übertragung von Sachtexten dient, werden in Einfacher Sprache sowohl Sachtexte als auch Belletristik verfasst.

Sprachstil in Leichter Sprache und Einfacher Sprache

Leichte Sprache und Einfache Sprache sind stark vereinfachte Varianten des Deutschen, wobei die Vereinfachung die inhaltliche und die sprachliche Ebene umfasst:

  • Auf der inhaltlichen Ebene erfolgt eine Reduktion von Aussagen auf ihre Kernaussagen und eine Unterteilung des Textes in kleine, leicht zu überblickende Absätze.
  • Die sprachliche Ebene wird vereinfacht durch Vermeiden komplexer Satzkonstruktionen, Abstraktionen und schwieriger Wörter.

Bei Leichter Sprache versucht man konsequent, jegliche sprachliche Komplexität zu vermeiden. Nebensätze, Genitiv und Konjunktiv werden nicht verwendet. Das Layout ist stark vereinfacht und die Schriftgrade sind erhöht. Man vermeidet doppelte Verneinungen, Fachbegriffe sowie Zahlwörter. Es wird nur der aus dem täglichen Leben bekannte Wortschatz verwendet.

Bei Einfacher Sprache hängt der Grad der Vereinfachung von der Zielgruppe ab, an die sich der Text wendet. Diese ist gegebenenfalls in der Lage, auch einen komplexeren Sprachstil zu verstehen. Daher findet man in manchen Texten, die in Einfacher Sprache verfasst sind, auch Formulierungen im Genitiv und Konjunktiv sowie einfache Nebensätze. Wörter aus dem Sprachgebrauch des täglichen Lebens werden bei Einfacher Sprache generell als bekannt vorausgesetzt. Das Layout des Ausgangstextes wird in der Regel übernommen.

Übersetzen von Text in Leichte Sprache und Einfache Sprache

Basis für einen Text in Leichter Sprache oder Einfacher Sprache ist meist ein normalsprachlicher Text, der in Leichte Sprache oder Einfache Sprache übertragen, also letztlich übersetzt wird.

Das Übersetzen in Leichte Sprache und insbesondere in Einfache Sprache erfordert eine genaue Kenntnis der Zielgruppen. Damit die Leserinnen und Leser nicht überfordert werden, überarbeiten die Übersetzerinnen und Übersetzer Texte von Grund auf: Um inhaltliche Verfälschungen zu vermeiden, werden lange Dokumente zunächst in mehrere kurze Dokumente mit jeweils einem eigenen Unterthema aufgeteilt. Diese werden dann in Leichte Sprache beziehungsweise Einfache Sprache übersetzt. An der Überarbeitung der Texte und deren Prüfung sind auch Redakteurinnen und Redakteure beteiligt, die den jeweiligen Zielgruppen angehören.

Blick auf einen Text

Um den Unterschied zwischen einem Text in normaler Sprache, Leichter Sprache und Einfacher Sprache zu verdeutlichen, stelle ich hier einen Auszug aus dem „Persönlichen Budget“ aus einer Broschüre des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in normaler, in Leichter Sprache und in Einfacher Sprache vor.

Text in normaler Sprache

Textbeispiel Normale Sprache

Text in Leichter Sprache

Textbeispiel Leichte Sprache

In diesem Text steht jeder Satz in einer separaten Zeile. Die sprachliche Komplexität wurde vermindert, indem die Überschrift auf ihre Kernaussage reduziert und der folgende Satz in einzelne kurze, einfache Sätze ohne Nebensätze unterteilt wurde, wobei jeder Satz nur eine Aussage enthält. Die Lesbarkeit zusammengesetzter Wörter (schwerbehindert) wurde durch das Einfügen eines Bindestrichs erhöht. Weniger geläufige Wörter wie „Herr“ wurden durch bekanntere wie „Mann“ ersetzt.

Am auffälligsten sind die gestalterischen Änderungen gegenüber dem Ursprungstext: So wurde die Schriftgröße erhöht und auch die Zeilenabstände sind deutlich größer als bei einem normalen Text.

Text in Einfacher Sprache

Textbeispiel Einfache Sprache

Im Gegensatz zu dem Text in Leichter Sprache enthält dieser in Einfache Sprache übersetzte Text auch Sätze mit zwei Aussagen, und bisweilen stehen zwei Sätze in einer Zeile. Weniger geläufige Wörter wurden hier zwar ebenfalls ersetzt, insgesamt ist die sprachliche Komplexität jedoch höher als bei dem Text in Leichter Sprache.

Sowohl die Schriftgröße als auch die Zeilenabstände entsprechen dem Text in normaler Sprache.

Gewinn durch Vereinfachung

Das Verstehen von Texten, die über Themen des täglichen Lebens informieren, ist eine wesentliche Voraussetzung, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Probleme beim Aufnehmen von Textinformationen wirken sich auf viele Bereiche aus. Egal ob es sich um Nachrichten handelt, um Beipackzettel für Medikamente, um Behördeninformationen oder um Romane – Menschen mit Leseschwierigkeiten bleibt verschlossen, was über Texte vermittelt wird. Angebote in Leichter Sprache oder in Einfacher Sprache, gegebenenfalls ergänzt um Audiodateien und Videos, ermöglichen es diesen Menschen, sich zu informieren. Darüber hinaus erreicht man damit viele weitere potenzielle Leserinnen und Leser, die eine einfachere Form der Informationsvermittlung benötigen oder zumindest als ersten Anhaltspunkt bevorzugen, wie es der reißende Absatz beispielsweise der Erbrechtsbroschüre des niedersächsischen Justizministeriums in Leichter Sprache eindrücklich zeigt.

Natürlich lässt sich nicht jeder Text gleichermaßen gut vereinfachen. Komplexe und abstrakte Inhalte können nur eingeschränkt in Leichter Sprache oder Einfacher Sprache vermittelt werden. Wenn in Texten viele Fremdwörter erklärt werden müssen, leidet die Lesbarkeit. Allerdings ist es auch nicht das Ziel, jeden Inhalt, jeden Text für jede Personengruppe verständlich zu machen. Ziel jedes Textes sollte sein, ihn den Personengruppen zugänglich zu machen, die damit erreicht werden sollen. Daher führen Leichte Sprache und Einfache Sprache auch nicht zu einer Reduktion oder gar Verarmung der geschriebenen wie gesprochenen Sprache, sondern sie bieten, wie Fachsprachen, eine für bestimmte Zielgruppen maßgeschneiderte Lösung. Insgesamt stellen diese Sprachen eine Bereicherung dar, da sie Menschen dabei unterstützen, sich Informationen zu erschließen.

Zur Vertiefung

Baumert, Andreas (2016): Leichte Sprache – einfache Sprache. Literaturrecherche, Interpretation, Entwicklung. Veröffentlicht von der Bibliothek der Hochschule Hannover.
http://d-nb.info/1097572382/34

Dudenredaktion (Hrsg.), Ursula Bredel (Autor), Christiane Maaß (Autor) (2016): Leichte Sprache. Theoretische Grundlagen. Orientierung für die Praxis. Duden Verlag.
https://www.duden.de/Shop/Leichte-Sprache

Dudenredaktion (Hrsg.), Ursula Bredel (Autor), Christiane Maaß (Autor) (2016): Ratgeber Leichte Sprache. Die wichtigsten Regeln und Empfehlungen für die Praxis. Duden Verlag.
https://www.duden.de/Shop/Ratgeber-Leichte-Sprache

Dudenredaktion (Hrsg.), Ursula Bredel (Autor), Christiane Maaß (Autor) (2016): Ratgeber Leichte Sprache. Die wichtigsten Regeln und Empfehlungen für die Praxis. Duden Verlag.
https://www.duden.de/Shop/Arbeitsbuch-Leichte-Sprache

Leichte Sprache. Ein Ratgeber.
Veröffentlicht vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Leichte Sprache.
http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/a752-ratgeber-leichte-sprache.pdf;jsessionid=A090ADFD2A62B0290950069D2552A284?__blob=publicationFile&v=2

Hurraki – Wörterbuch für Leichte Sprache:
Veröffentlicht von der Bundeszentrale für politische Bildung.
https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/werkstatt/238044/woerterbuch-fuer-leichte-sprache
http://hurraki.de/wiki/Hauptseite

Sag es einfach!:
Europäische Richtlinien für die Erstellung von leicht lesbaren Informationen für Menschen mit geistiger Behinderung für Autoren, Herausgeber, Informationsdienste, Übersetzer und anderen interessierte Personen.
Veröffentlicht vom deutschen Bildungsserver.
https://www.bildungsserver.de/onlineressource.html?onlineressourcen_id=55294