… oder was muss ich beachten, um „europäische“ Anleitungen für den US-Markt tauglich zu machen

Die ANSI Z535.6 schlägt ein Regelwerk für die systematische graphische Gestaltung von Sicherheits- und Warnhinweisen in der technischen Dokumentation für den US-Markt vor.

Das Werk hat normativen Charakter („The Z535 Commitee recognises that this information [communicating safety and accident preventention] can also be effectively communicated using other graphic systems“, Seite VII, dritter Absatz), ist aber ebenso wenig verbindlich wie europäische Normen („The use of American National Standards is completely voluntary ….“, Seite II, dritter Absatz).

Das Regelwerk beschreibt also einen möglichen Problemlösungsweg. Und nichts spricht dagegen, diese Arbeit zur Grundlage des eigenen Sicherheits- und Warnhinweissystems zu machen – sprich auf die eigene Dokumentation hin anzuwenden. Nur „Anzuwenden“ heißt eben nicht, dieses System sklavisch übernehmen zu wollen.

Scheinprobleme

Immer wieder gern wird bei der „Anwendung“ der ANSI Z535.6 die Verwendung der ISO-Piktogramme problematisiert. Einmal abgesehen davon, dass dieses Thema in diesem Teil der Norm gar nicht adressiert wird – hier geht es um die Gefahrenstufen Danger, Warning, Caution und Notice, deren Definition und eindeutige Anwendung – stellt sich die Frage, wie zielführend derartige Diskussionen sind.

Gewiss wäre es von Übel, wenn die Piktogramme von der Zielgruppe falsch verstanden werden würden – die oftmals angeführten Beispiele scheinen jedoch häufig sehr effekthascherisch (Beispiel: In China würde das Zeichen für Gehörschutz-Tragen eher als Ohrenwärmer-Gebot interpretiert werden… Nebenbei, was hat China mit dem US-Markt zu tun?)

Lösungsansatz: Kombination von ANSI und IEC 82079-1

Das Hauptaugenmerk sollte darauf verwendet werden, die Vorschläge der ANSI mit der – international gültigen – IEC 82079-1 zu kombinieren und daraus ein eigenes Dokumentationskonzept abzuleiten. Dieses sollte natürlich auch ein Konzept zur Darstellung von Sicherheits- und Warnhinweisen in der eigenen Dokumentation beinhalten.

Die Auffassung, dass die Orientierung an der ANSI Z535.6 allein nicht hinreichend ist, vertritt auch Dr. Mathew Kundiger, übrigens einer der Mitverfasser dieser Norm, in einem Diskussionsbeitrag des VDMA aus dem Dezember 2008. Dort betont Kundiger, dass primär die Verständlichkeit der Anleitung im Vordergrund stehen müsse, um auf dem US-Markt zu bestehen. Mängel ergäben sich immer wieder aus mangelnder Zielgruppenanalyse, mit der Folge, dass die enthaltenen Sicherheitsinformationen nicht adäquat gegeben würden und die Handlungsabläufe unverständlich oder zu kurz ausfielen.

Die Technischen Redakteure dürfen also das Informationsbedürfnis der Zielgruppe nie aus den Augen verlieren. Der Schlüssel für die Verständlichkeit der Informationen und deren leichter Auffindbarkeit ist eine klare und nachvollziehbare Gliederung, wie sie beispielsweise die IEC-82079-1 durch die Orientierung am Produktlebenszyklus vorschlägt. Ausgehend von dieser Gliederung saubere Definition und Abgrenzung der unterschiedlichen semantischen Elemente – beispielsweise Beschreibung, Hinweis, oder Handlungsanleitung. Die betreffenden Informationen sind zielgruppengerecht aufzubereiten. Neben kurzen und verständlichen Formulierungen und der eigentlich selbstverständlichen Forderung nach Korrektheit ist ein wesentlicher Gesichtspunkt, das die in solch einem semantischen Element gegebenen Informationen in sich abgeschlossen sind.

Ob die Detailtiefe dann für den US-Markt nochmals anzupassen ist, hängt davon ab, ob und wie sich die Zielgruppen in Europa von denen in den USA unterscheiden. Es sollte dann kein Problem darstellen, das eine oder andere semantische Element gegen eine marktspezifische Variante auszutauschen. Alles, ohne den grundsätzlichen Aufbau des betreffenden Dokuments ändern zu müssen.

Ein weiterer Punkt ist die Qualität der Übersetzungen. Hier sollte sowohl die Terminologie vom Hersteller / Vertreiber als auch die Sprache (US-Englisch, ggf. sogar mexikanisches Spanisch) dem Übersetzer vorgegeben werden. Auch diese Forderung gilt gleichfalls in Europa, wenn auch – selbstredend – in anderen Sprachen.

Dritter Punkt ist, für den Prozessfall den Nachweis zu führen, dass alles getan wurde, um einen Personenschaden von vornherein zu vermeiden. Die Beweisführung basiert auf den vorhandenen Risikobeurteilungen sowie dem Konzept der Dokumentation. Und wie kann man solch ein Konzept besser belegen, als mit einem aussagekräftigen Redaktionsleitfaden?

Resümee:

Diese Forderungen sind eigentlich ein alter Hut und sollten grundsätzlich gelten, also egal, für welchen Markt produziert wird. Eine gut gemachte Anleitung nach europäischem Standard sollte daher durchaus US-tauglich sein.

Es sollte eigentlich gelebte Praxis sein, die Tiefe der gegebenen Informationen anhand einer eigenen Zielgruppenanalyse für jeden adressierten Markt, insbesondere den US-Amerikanischen, kritisch zu überprüfen und ggf. anzupassen. Ob diese Analyse für jeden Einzelfall neu durchgeführt werden muss oder a priori konzeptuell erledigt werden kann, hängt wohl von der Heterogenität der Produkte ab.

Eine sauber konzipierte Anleitung, die konsequent umgesetzt wird, ist somit der beste Garant, um am Ende möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten.

Autoren: Holger Brüning, Olaf Dömer