Persönlichkeiten und ihre Auswirkungen auf die CCMS-Einführung

Im Beitrag Erfolgreich bei der CCMS-Einführung: Auf diese Aspekte müssen Sie achten wurde der Mensch als entscheidender Faktor des Einführungsprozesses beschrieben. Dieser Artikel beschäftigt sich eingehender mit den Persönlichkeitsmerkmalen, die die jeweiligen Mitarbeitenden zu Bremsern, Skeptikern oder Widerständlern werden lassen und welche Auswirkungen persönliche Befindlichkeiten auf den Prozess und die Ergebnisse der CCMS-Einführung haben können.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. In der Sicherheit langjähriger Erfahrung oder in dem etablierten Ablauf der Dinge kann er sich komfortabel einrichten. Aber mit der Einführung eines CCMS beginnt ein Umwandlungsprozess, dem sich alle Mitarbeitenden stellen müssen. Ihre Reaktionen und Verhaltensweisen können sehr unterschiedlich sein.

Merkmale des Gewohnten

Die Arbeit mit den herkömmlichen DTD-Werkzeugen – besonders die Methode des „Copy & Paste“ kompletter Dokumente – hat viele Nachteile:

  • Im Laufe der Zeit werden unzählige Redundanzen erzeugt.
  • Für Änderungen und Übersetzungen einzelner Sätze oder Daten muss das komplette Dokument durchsucht werden.
  • Mit zunehmender Vielfalt werden immer zwingender geeignete Methoden benötigt, um den wachsenden Bestand zu beherrschen.
  • Das Wissen über die Bestandteile einzelner Dokumente oder Versionen existiert häufig nur in den Köpfen der bearbeitenden Personen.

Die Ausprägung individueller Arbeitsweisen ist daher eine zwangsläufige Folge. Sie äußert sich u.a. in der Verwendung individueller Formulierungen und Terminologie, im Aufbau individueller Dokumentstrukturen, in der individuellen Verwaltung von Versionen, der Ablage von Daten usw.

Alle diese Auswirkungen sind gute Gründe für die Nutzung eines CCMS. Doch mit seiner Einführung wird sich vieles ändern.

Es gilt, viel Neues zu erlernen

Die Arbeit in einem CCMS stellt einen gravierenden Unterschied zu der gewohnten Arbeitsweise dar. Die Beteiligten müssen sich nicht nur in eine neue Software einarbeiten. Dies kennen sie meist schon von der Einführung anderer neuer Systeme im Unternehmen.

Die Anwendung eines CCMS zu erlernen, erfordert dagegen eine ganz neue Herangehensweise an die Erstellung von Informationen.

  • Man muss lernen, nicht mehr im gesamten Dokument zu denken und zu arbeiten, sondern in einzelnen Sinneinheiten.
  • Man muss sich daran gewöhnen, beim Erfassen nicht mehr im Layout zu arbeiten, sondern in einem Editor.
  • Man muss sich mit den spezifischen CCMS-Funktionen und ihrer Terminologie vertraut machen, z. B. Versionierung, Historie, Variantenfilter, Workflow.
  • Man muss sich mit neuen Konzepten und Themen auseinandersetzen und die entsprechenden Methoden erlernen, z. B. Metadaten, Klassifizierung.
  • Und schließlich muss man die Gesamtstrategie zur Nutzung des CCMS verstehen.

Herausforderung:  Teamarbeit, Regeln, Transparenz

All diese Neuerungen stellen auch höhere Anforderungen an die Nutzerinnen und Nutzer hinsichtlich ihrer Zusammenarbeit. Die geänderte Arbeitsweise bedeutet in der Regel:

  • Zusammenstellung neuer Teams, ggf. auch über verschiedene Standorte hinweg.
  • Festlegung neuer Verantwortlichkeiten mit Rollen und Rechten.
  • Befolgung von Regeln, die andere für die Arbeit im System aufgestellt haben.
  • Akzeptanz anderer Prioritäten: Individuelle Ausprägungen hinsichtlich Arbeitsweise, Layout, Sprache usw. müssen abgelegt werden zum Vorteil der Standardisierung und der Erzeugung eines konsistenten Contents.
  • Die Arbeit des Einzelnen wird zu separaten Schritten übergeordneter Prozesse.
  • Es wird transparenter, was der Einzelne tut, wann er es tut und wie er es tut.

Persönlichkeitsmerkmale

Die möglichen Reaktionen auf die bevorstehenden Veränderungen sind so unterschiedlich, wie die Menschen selbst. Manche reagieren mit Angst, Unsicherheit, Ablehnung oder Besorgnis. Andere reagieren mit Freude, Neugier und Motivation.

Im Folgenden habe ich ein paar typische Persönlichkeitsprofile zusammengestellt. All diesen unterschiedlichen Charakteren mit ihren völlig menschlichen Befindlichkeiten können Sie in Ihrem Projekt begegnen.

Kreative Individualisten

„Ich bin am liebsten kreativ“

Die kreativen Individualisten

Diese Personen

  • arbeiten gern auf die herkömmliche Weise,
  • haben häufig eine Affinität zu Gestaltung und Design und empfinden die Arbeit mit layoutbasierenden DTP-Systemen wie z. B. Adobe InDesign® als angenehm,
  • schätzen es, nach den eigenen Regeln arbeiten und auf vielfältige Weise kreativ sein zu können.

Wenn es nach ihnen ginge, sollte möglichst alles so bleiben, wie es ist. Mit der bevorstehenden Veränderung fühlen sie sich überfordert und ihrer Gestaltungsfreiheit beraubt. Daher reagieren sie häufig mit Unwillen bis hin zur Panik und stellen sich innerlich gegen das Projekt.

Mögliche Auswirkungen auf das Projekt

Diese Personen

  • versuchen, die gewohnte Arbeitsweise auch im CCMS beizubehalten
  • bearbeiten zugewiesene Aufgaben nur mit Verzögerung
  • geben anderen Aufgaben stets den Vorzug
  • finden immer wieder neue Auswege, sich nicht beteiligen zu müssen
  • verweigern die Zusammenarbeit
  • schaffen evtl. bewusst individualisierten Parallel-Content im System
Die Besserwisser

„Lasst mich das mal machen“

Die Besserwisser

Diese Personen

  • fühlen sich in allen Bereichen kompetent, auch in fachfremden, und zweifeln nicht selten die Kompetenz von anderen an
  • sehen in dem Projekt eine Chance, sich zu profilieren und ihre Eigeninteressen durchzusetzen
  • stellen gern die Entscheidungen anderer in Frage
  • wollen selbst Entscheider sein
  • möchten evtl. das Projekt durch ein anderes, eigenes, ersetzen

Wenn es nach ihnen ginge, würde das Projekt völlig anders aufgesetzt werden, natürlich unter ihrer Führung. Die Kommunikation mit diesen Personen gestaltet sich in der Regel schwierig.

Mögliche Auswirkungen auf das Projekt

  • nicht zielführendes Kompetenzgerangel
  • lange, unnötige Diskussionen
  • Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit
  • zeitliche Verzögerungen
Die Schüchternen

„Ich weiß was, aber ich trau mich nicht“

Die Schüchternen

Diese Personen

  • können einiges, aber trauen sich selbst wenig zu
  • können die eigene Kompetenz schlecht einschätzen
  • haben gute Ideen und eigene Meinungen, sind aber zu schüchtern, diese zu äußern
  • haben evtl. schlechte Erfahrungen mit Meinungsäußerungen gemacht
  • arbeiten mit im Projekt, aber melden sich nicht zu Wort, selbst wenn sie Fehler bemerken

Aus falsch verstandener Rücksicht oder dem unbehaglichen Gefühl, im Scheinwerferlicht der Aufmerksamkeit zu stehen, halten diese Personen sich lieber zurück und beobachten die Entwicklung des Projektes aus dem vermeintlich sicheren Hintergrund.

Mögliche Auswirkungen auf das Projekt

  • wichtige Aspekte des Projektes werden nicht bekannt
  • gute Ideen werden nicht geäußert, Fehler nicht erkannt
  • Potenziale werden nicht entdeckt
Die Motivierten

„Cool endlich geht’s los und ich bin dabei!“

Die Motivierten

Diese Personen

  • sind neugierig auf das Neue
  • sind begeisterungsfähig
  • denken mit
  • beteiligen sich aktiv

Motivierte Menschen sind ein Gewinn für jedes Vorhaben – sie sind die unverzichtbaren Stützpfeiler.

Mögliche Auswirkungen auf das Projekt

Diese Personen

  • zeigen sich meist als Teamplayer
  • geben ein gutes Beispiel und können andere häufig ebenfalls motivieren
  • bereichern das Projekt mit guten Ideen
  • wirken gestaltend
  • helfen, das Projekt voranzubringen
Die Gekränkten

„Mich fragt ja keiner“

Die Gekränkten

Diese Personen

  • halten viel von ihrer eigenen Meinung und Kompetenz
  • erwarten eine entsprechende Funktion im Projekt
  • fühlen sich übergangen, wenn sie diese Funktion nicht erhalten
  • fühlen sich nicht wahrgenommen und nicht wertgeschätzt

Die Ursachen dafür, dass Menschen verärgert sind oder sich gekränkt fühlen, können vielfältig sein. Vielleicht liegt es an einer grundsätzlichen Unzufriedenheit mit ihrer Arbeit oder den Bedingungen in ihrem Unternehmen. Vielleicht liegen die Gründe ganz woanders. Wie auch immer – sie könnten in dem Projekt ein Ventil für diese Unzufriedenheit sehen und einen weitreichenden negativen Einfluss ausüben.

Mögliche Auswirkungen auf das Projekt

Diese Personen

  • stellen sich aus Protest gegen das Projekt
  • kritisieren alle Meinungen und Maßnahmen ohne Unterschied
  • stören den Teambildungsprozess und verweigern mitunter die Zusammenarbeit
  • ignorieren Regeln, die andere erstellt haben
  • ziehen viel Aufmerksamkeit auf ihre Befindlichkeiten und verbreiten schlechte Stimmung
  • erzeugen unter Umständen zweifelhafte Ergebnisse im CCMS
Die Ungeduldigen

„Kein Problem, das schaffe ich alles locker nebenher“

Die Ungeduldigen, Eiligen

Diese Personen

  • wollen an allen Aufgaben mitarbeiten
  • wollen an allen Meetings und Entscheidungen beteiligt sein
  • bearbeiten viele Aufgaben parallel
  • legen ein hohes Tempo vor
  • sind immer schnell fertig mit ihren Aufgaben
  • wirken sehr belastbar

Die Eiligen sind besondere Typen. Einerseits sind sie meist sehr motiviert und daher in dem Projektteam gut platziert. Andererseits fehlt Ihnen häufig die nötige Geduld und Ruhe – beides Eigenschaften, die für die notwendige und meist weitreichende Konzeptionsarbeit unerlässlich sind.

Mögliche Auswirkungen auf das Projekt

Diese Personen

  • verzetteln sich in zu vielen Aufgaben
  • nehmen sich nicht genügend Zeit, die Dinge in Ruhe zu durchdenken
  • begehen Flüchtigkeitsfehler
  • stellen die Schnelligkeit über die Qualität der Ergebnisse
Die Überraschenden

„Das hätte ich mir wohl nicht zugetraut!“

Die Überraschenden

Diese Personen

  • haben lange in Routine gesteckt
  • sind nie gefordert worden
  • sind mit ihren Ideen, ihren Einwänden nie erst genommen worden
  • sind nie als Menschen mit Potenzial wahrgenommen worden

Manchmal schlummern Potenziale an unerwarteten Stellen. Auch Menschen, die überwiegend Routinetätigkeiten durchführen, können während ihrer Arbeit wertvolle Erkenntnisse über notwendige Veränderungen und Optimierungen gewonnen haben. Doch leider wird das häufig nicht erkannt.

Mögliche Auswirkungen auf das Projekt

  • man erwartet nicht viel von ihnen
  • man traut ihnen wenig zu
  • sie werden im Projekt nicht berücksichtigt
  • wenn man ihnen jedoch die Chance gibt, können sie im Projekt wertvolle Arbeit leisten

Was jede/r Einzelne tun kann

Jede Person trägt mit ihrer Persönlichkeit zum Erfolg oder Misserfolg des Projektes bei. Skeptiker, Bremser und Widerständler können das Projekt verzögern oder teilweise sogar boykottieren, die Besserwisser das Projekt durch endlose Diskussionen und Kompetenzgerangel zu einer quälenden Angelegenheit machen, die Ungeduldigen durch zu viel Tempo die anderen vor sich hertreiben und dabei wichtige Aspekte übersehen und die Unsicheren, Schüchternen das Projekt um wertvolle Ideen und Beiträge bringen.

Wichtig ist daher, dass alle optimal zusammenarbeiten. Um das zu erreichen, sollte man jede Person ihrer Persönlichkeit entsprechend in das Projekt einbinden.

Die Projektleitung

Ihre Aufgabe ist es, das Projekt weitblickend zu planen. Sie sollte dabei folgende Regeln beachten:

  • Entscheider, Umsetzer und Kritiker gleichermaßen einbeziehen.
    Denn jeder sollte die Möglichkeit erhalten, gehört zu werden.
  • Stets und regelmäßig transparent, ehrlich und offen kommunizieren.
    Denn die negativen Auswirkungen von „Flurfunk“ und „Gerüchteküche“ sind nicht zu unterschätzen.
  • Ausreichende Personalkapazitäten für das Projekt bereitstellen, gleichzeitig das Tagesgeschäft personell sicherstellen.
    Denn unter Zeitdruck lassen sich keine optimalen Ergebnisse erzeugen.
  • Raum geben für Dialog, Feedback und Beteiligung.
    Denn viele wichtige Aspekte des Projektes entwickeln sich oft erst durch den Austausch untereinander.
  • Den „Unterlegenen“ einen fairen Ausgleich bieten.
    Denn nicht jeder kann im Projekt eine führende Rolle übernehmen. Doch durch faires Verhalten kann man jeder Person den nötigen Respekt erweisen.
  • Identifikation der Beteiligten mit dem Projekt fördern.
    Denn Identifikation ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg des Projektes.

Die Teamleitung

Ihre Aufgabe ist es dafür zu sorgen, dass sich jede Person den zugewiesenen Aufgaben gewachsen fühlt.

Grundsätzlich gilt:

  • Persönlichkeiten und Bedürfnisse kennenlernen und respektieren.
    Denn die „verfügbaren“ Menschen sind so, wie sie sind und das muss man akzeptieren.
  • Ängste nicht weg reden, sondern ernst nehmen.
    Denn Ängste haben eine Ursache. Wenn man die Ursache kennt, ist man der Lösung des Problems schon einen Schritt näher.
  • Raum für neue positive Erfahrungen eröffnen.
    Denn diese fördern die Motivation im Projekt.
  • Aufgaben den jeweiligen Fähigkeiten entsprechend klug zuteilen.
    Denn niemand soll überfordert oder unterfordert werden.
  • Schnelle Erfolge ermöglichen.
    Denn Erfolg ist der beste Motivator – auch für die Skeptiker.
  • Den Motivierten spannende Aufgaben zuteilen.
    Denn ihre Motivation soll dauerhaft sein.
  • Die Ergebnisse der Ungeduldigen, Eiligen öfter kontrollieren. Die Personen zu mehr Ruhe und Umsicht anhalten.
    Denn häufige Fehler und selbstgemachter Zeitdruck können sie mit der Zeit demotivieren.
  • Den Unsicheren und Ängstlichen die Möglichkeit geben, sich an einfachen Aufgaben zu bewähren.
    Denn das stärkt ihr Selbstvertrauen und so können sie mit der Zeit souveräne CCMS-Nutzerinnen und Nutzer werden.
  • Den kreativen Individualisten ggf. Aufgaben außerhalb des CCMS zuweisen.
    Denn damit bleiben ihnen ihre Gestaltungsfreiheit und die Zufriedenheit mit ihrer Arbeit erhalten.
  • Auch den „Nicht-Eingeplanten“ eine Chance geben, sich zu beweisen.
    Denn daraus kann sich manch positive Überraschung ergeben.

Die Teammitglieder

Vielleicht gelingt es den Zauderern, die eigenen Bedenken zu überwinden und mit mehr Interesse und Neugier auf die neue Situation zuzugehen. Sie können dafür manches tun, z. B.:

  • Lernen, auf das Neue neugierig zu sein.
    Denn nicht alles, was neu ist, ist schlecht. Häufig ist das Neue sogar sehr interessant.
  • Offen mit der Teamleitung kommunizieren und eventuelle Bedenken äußern.
    Denn wer sich äußert erhöht die Chance, ernst genommen und unterstützt zu werden.
  • Auch einmal über den eigenen Schatten springen und andere um Hilfe bitten.
    Denn die Kolleginnen und Kollegen sind meist verständnisvoller und hilfsbereiter, als man denkt.
  • Kompromissbereit auf die Meinungen anderer reagieren und Kritik respektvoll äußern.
    Denn man selbst möchte auch gehört und respektvoll behandelt werden.
  • Sich als Teil eines größeren Ganzen verstehen und Eigeninteressen hintenanstellen.
    Denn im Projekt steht das gemeinsame Ziel im Vordergrund und nicht die persönliche Profilierung.

„Das haben wir gemeinsam geschafft!“.

Damit später alle sagen können: „Das haben wir gemeinsam geschafft!“.