Wussten Sie eigentlich schon, welch wichtige Rolle Technische Redakteure einnehmen, sobald es um Themen wie Automatisierung und Künstliche Intelligenz geht? Wissen Sie zufällig, was Pre-Editing bedeutet? Falls (noch) nicht, gönnen Sie sich doch einfach eine kleine Pause und diesen Artikel.
Was bedeutet eigentlich „Pre-Editing“?
Zum gesamten Prozess der maschinellen Übersetzung (Kurzform: MÜ) gehören ein Pre-Editing, die maschinelle Übersetzung selbst sowie das abschließende Post-Editing. Als „Post-Editing“ wird die Nachbearbeitung (oder eher, das Korrigieren) maschinell übersetzter Texte durch menschliche Übersetzer bezeichnet. In Anlehnung daran ist der Ausdruck „Pre-Editing“ entstanden.
Unter „Pre-Editing“ wird eine gezielte Vor- bzw. Aufbereitung von Texten für die besonderen Anforderungen an die Ausgangstexte und an die „Trainingstexte**“ für die maschinelle Übersetzung verstanden. Je gründlicher und besser ein Pre-Editing, umso besser ist die maschinelle Übersetzung und umso weniger Aufwand ergibt sich für das Post-Editing, das leuchtet ein.
Einen Schritt weiter gedacht ist die Frage, warum nicht gleich so, also: Warum nicht gleich Texte und andere Inhalte so zielgerichtet erstellen, dass sich (zumindest teilweise) Aufwände einsparen lassen, sowohl für ein Pre- als auch für ein Post-Editing?
Neben einem stets erwünschten Kosten- und Zeitvorteil ergibt dies auch einen qualitativen Vorteil, sofern die Texte von oder in Kooperation mit Technischen Redakteuren erstellt werden.
Warum, nun, Technischen Redakteuren ist ein gezieltes Erstellen, Vor- und Aufbereiten von Texten für besondere Anforderungen und Anwendungen längst vertraut, es ist wesentlicher Bestandteil der Aus- und Weiterbildung. Zum Kernhandwerk der Technischen Redakteure gehört das Pre-Editing ebenso wie die Themen Automatisierung und Künstliche Intelligenz. Bei diesen Themen ist es besonders wichtig, vorausschauend zu handeln.
**Trainingstexte: Damit sind die Texte gemeint, mit denen die sogenannte „Maschine“ innerhalb der maschinellen Übersetzung angelernt und trainiert wird.
Für den Menschen in vielen Kontexten und Situationen
Technische Redakteure sind die Wissens- und Kommunikationsmanager zumeist sprachlicher Informationen an der Schnittstelle zwischen Mensch und Technik. Sie erstellen diese für Menschen, für viele verschiedene Anwendungsszenarien und in einer Form, dass diese Informationen von Systemen lesbar und weiterverarbeitbar sind.
Die Arten sprachlicher Informationen, die von Systemen mit künstlicher Intelligenz weiterverarbeitet werden, sind vielfältig. Um nur einige Beispiele zu nennen, können dies alle Textarten für digitale Assistenten sein wie Displaytexte, Dialogboxen, Hilfetexte, Chat-Bot-Texte und so weiter.
Diese Texte sind oft Bestandteil von Produkten und Systemen, zu denen auch die technische Dokumentation im engeren Sinn, also eine Anleitung, erstellt wird.
Nicht selten sind Technische Redakteure auch Berater oder Mit-Autoren von GUI-Texten, da sie die Bedienung eines Produkts oder einer Software aus der Anwenderperspektive recherchieren und beschreiben und oftmals bei diesem Prozess auch nebenbei Usability Tester sind, was bedeutet, sie testen das neu entstandene oder entstehende Produkt, weil sie die Funktionen des Produkts, die Bedienung und Auswirkung einer Bedienhandlung genau kennen müssen, um zum Handeln anzuleiten.
Es ist aber nicht nur das reine Fachwissen, das ein Technischer Redakteur aufwenden muss, um eine gute Grundlage zu schaffen, damit künstliche Intelligenz „eine Sprache“ erhält.
Für Mensch und KI
Der Einsatz künstlicher Intelligenz basiert auf automatisierten Anwendungen und den dafür vorbereiteten Texten für die Mensch-Maschine-Schnittstelle. Es ist natürlich sinnvoller, zeitsparend und zielführender, wenn der spätere funktionale Einsatz und die Anwendersituation des Menschen („User Experience oder kurz UX“) bereits bei der Erstellung von Inhalten mitbedacht wird.
Dies ist eine besondere Anforderung an die Sachkompetenz, Empathiefähigkeit und insbesondere das Abstraktions- und Vorstellungsvermögen eines TR, denn nicht jeder Anwender oder jede Anwendersituation ist beim Erstellen von Texten bereits im Detail bekannt und so transparent, dass es eine vorgefertigte To-Do-Liste gäbe, die abzuarbeiten ist.
Beispielsweise können die im Alltag häufig anzutreffenden Assistenzsysteme nur dann wirklich nutzbringend funktionieren und hilfreich sein für den Menschen, wenn die zur Verfügung gestellten Daten und Inhalte fehlerfrei, gut durchdacht und funktional sind. Dies kann nur dann umgesetzt werden, wenn der Autor während der Erstellung der Texte die erforderlichen Qualitäten und Funktionen, die der Text erfüllen muss, kennt.
Redaktionelle Prozesse wie der Review-Prozess sowie Lektorate gehören ebenfalls zu den grundlegenden Fertigkeiten des Technischen Redakteurs. Dies ist angesichts dessen, dass gegenwärtig ein Großteil der Texte übersetzt werden muss, ebenso wichtig:
Ganz gleich, ob durch einen Menschen oder durch eine Maschine übersetzt wird, der Ausgangstext für eine Übersetzung muss lektoriert, korrigiert und terminologisch bereinigt sein. Nur so kann man bei den Kosten für die späteren „Reparaturen“ an den Texten sparen und letztlich auch das Garbage-In-Gargabe-Out-Prinzip unterlaufen.
Qualität und Innovation anpeilen
Welche Zielvorgaben könnten für die Erstellung eines qualitativ hochwertigen Textes angepeilt werden? Welche Merkmale sollte ein Text haben, der sich bei weiterer Verwendung in Systemen als wesentlich „pflegeleichter“ erweist als die Texte, die nicht zielgerichtet erstellt wurden?
Folgende Punkte können hier als Anhaltspunkte genannt werden; diese Liste ist natürlich nicht vollständig und variiert je nach funktionaler Anforderung an die Texte.
- Der Text ist inhaltlich und sachlich-logisch korrekt.
- Der Text ist nach funktionalen Aspekten strukturiert und, falls erforderlich, modularisiert.
- Der Text zeichnet sich durch einen prägnanten Stil aus, sowohl hinsichtlich der grammatischen Strukturen als auch hinsichtlich der Wortwahl.
- Es ist eine korrekte Rechtschreibung und Grammatik sichergestellt.
- Der Text ist terminologisch bereinigt.
- Bei der Erstellung des Textes wurde eine regelbasierte Sprache eingehalten.
- Es wurde auf die Verwendung von Ausdrücken geachtet, die im Lexikon enthalten sind, das bedeutet auch:
- keine innovativen Wortschöpfungen
- keine Umgangssprache
- nach Möglichkeit keine Abkürzungen
- keine willkürlich verwendeten fremdsprachigen Ausdrücke, für die es muttersprachliche bzw. fachsprachliche Ausdrücke gibt
- Der Status des Textes ist klar festgelegt (Versionierung, Freigabe).
Vielen Redakteuren werden diese Merkmale vertraut erscheinen. Vermutlich sind einige dieser Zielvorgaben längst in hauseigenen Leitfäden, in Sprachprüfungswerkzeugen oder „nur im Gedächtnis“ als verbindlich festgehalten worden.
Mit jeder neuen Wissensgenerierung und der Entstehung neuer Texte sowie jeder Ergänzung und Überarbeitung ist es erforderlich, die Einhaltung der Zielvorgaben erneut zu prüfen.
Lieber doch Logos anstatt Mythos
Die Arbeitsergebnisse der Technischen Redakteure sind, salopp gesagt, „Futter“ für eine künstliche Intelligenz. Ohne Input von Menschen funktioniert kein Programm und keine künstliche Intelligenz. Glauben Sie, dass dies eine triviale Erkenntnis ist und eigentlich jeder Mensch dies wissen müsste?
Leider ist das nicht der Fall. Künstliche Intelligenz oder auch nur komplexere Systeme und Programme erhalten, oftmals unbewusst oder unwillkürlich, den Status, den in früheren Zeiten mythologische oder religiöse Figuren bekamen. Wird ein Programm oder System angeschafft oder auf eine KI-Anwendung geschaut, ist ein Wunderglaube häufig anzutreffen. Dies ist natürlich kontraproduktiv.
Bitte nicht wundern, wenn ein System (ein Programm, eine KI) trotz intensiver Vergötterung von sich aus keine Wunder vollbringt. Es ist nur eine Maschine und kein Mensch. (Zeichnung: Dirk Schmitz)
Ein Programm an sich oder eine „künstliche“ Intelligenz an sich ist nicht in der Lage, qualitativ guten Input oder schlechten Input zu unterscheiden. Ein System mit einer KI kann überhaupt nicht selbst und „wie ein Mensch“ entscheiden und handeln, sondern nur Inhalte nach (vorher von einem Menschen vorgegebenen) formalen Kriterien sortieren und ausgeben und in kompatiblen Formaten an andere Systeme weitergeben. Das ist sehr nützlich, denn so ist zum Beispiel das IoT, das Internet of Things, möglich. Man kann in einer einfachen „Sprache“ Systeme und Maschinen miteinander sprechen lassen.
Allerdings hat über diese Sprache und über die Prozesse, bevor sie automatisiert werden, natürlich ein Mensch (tatsächlich ein großes Team) nachgedacht und entsprechende Strukturen und Formate, Standards und Inhalte erschaffen.
In der reinen Form und Struktur, der Domäne eines Systems und einer KI, liegt jedoch keine Bedeutung. Eine Bedeutung kann nur ein Mensch erkennen und ggf. neu erschaffen.
Zwar gibt es die Möglichkeit, Bedeutungszusammenhänge systematisch und hierarchisch formal darzustellen, also sogenannte Ontologien und Taxonomien zu erstellen, um diese einem System mit künstlicher Intelligenz als „Futter“ anzubieten, doch kann kein noch so komplexes Ordnungsgebilde, das formal dargestellt wird, Bedeutung erfassen, geschweige denn erschaffen.
Bedeutungen schaffen und Technik für den Menschen sinnvoll nutzbar zu machen, dies kann nur der Mensch. In der Zusammenarbeit von Fachleuten, Entwicklern, Technischen Redakteuren und Terminologen die jeweilige Domäne anderer anzuerkennen und gemeinsam zielgerichtet und sinnvoll in einem Prozess zusammenzuwirken, dies kann tatsächlich Wunder hervorbringen.
Mindestens jedoch ist gute Arbeit und ein gutes Ergebnis zu erwarten, also das Gegenteil von Garbage-In-Garbage-Out.
Ein Ausblick, oder auch, darf es noch ein wenig mehr sein?
Möchten Sie kurzfristig an einem Vortrag und einer Diskussion zum Thema teilnehmen? Möchten Sie mehr dazu erfahren, wie die maschinelle Übersetzung funktioniert und wie Maschinen „ticken“? Oder wie Technische Redakteure „ticken“?
Am 10. Juni 2021 haben Sie dazu Gelegenheit:
tekom Regionalgruppe Rhein-Main
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