Was ist der Kern der Terminologiearbeit? Wie funktioniert Terminologiearbeit, wozu nützt das Ganze? Und schließlich: Was hat dies mit Bewusstheit zu tun?

Erwärmung und Aufwärmung für die Terminologie

Kurz vor Weihnachten 2020 erhielt ich die Gelegenheit, in einem Online-Gastvortrag eine einstündige Einführung zum Thema Terminologie für die RWTH Aachen zu präsentieren. Zuhörer waren Studierende der Sprachwissenschaft und der Technik-Kommunikation. Der Vortrag diente den Studierenden als Einstieg in das Lern-Modul Terminologie.

Der Vortrag enthält einen motivierenden praktischen Einstieg in das Thema und eine Übung, bei der man etwas in die Hand nimmt, eine Begriffsklärung des Ausdrucks „Terminologie“ sowie das theoretische und das praktische Fundament der Terminologiearbeit.
Eine Aufzeichnung des Vortrags und zugehörige Materialien sind auf Anfrage erhältlich.

Kernfragen stellen

In einer Stunde kann natürlich keine umfassende Einführung in das komplexe Thema gegeben werden, es kann jedoch ein grundlegendes Verständnis dafür geschaffen werden, was Terminologiearbeit leisten kann. Dies ist, Begriffe und damit Vorstellungen und Kontexte genauer zu reflektieren, um anschließend mit terminologischen Methoden einen sprachlichen Ausdruck zu finden, der dem Verstehen dient, was mit dem jeweilig untersuchten sprachlichen Ausdruck tatsächlich gemeint ist.
Kein Mensch ist eine Insel (englisch: No man is an island, Zitat John Donne), jeder Mensch existiert in einem höchst individuellen Netz aus Vorwissen, aus eigenen Bezügen zur Umwelt, mit einem eigenen Wissensspeicher und mit einer eigenen Organisation des Wissens (oder Taxonomie, oder, salopp gesagt, Schubladen) und damit auch in einem eigenen Netz an Deutungen und Kontexten.
Im Alltag wird viel zu selten reflektiert, dass ein anderer Mensch bei einer sprachlichen Äußerung, die man selbst macht, zu einer gänzlich andersartigen Deutung dessen kommen kann als man selbst. Unreflektiert wird häufig davon ausgegangen, dass die eigene Wort-Wahl auch die dabei gedachten Inhalte zum Empfänger transportieren.
Ein Aneinander-Vorbeireden ist also natürlicherweise sehr viel häufiger, als man es sich eingestehen wollen würde. Sobald Äußerungen in Texten festgehalten sind, wird es offenbar: Ist Wissen vertextet, entstehen mehrdeutige oder unverständliche Absätze/Texte. Spätestens bei der Übersetzung von solchen Texten fällt dies auf den oder die Verfasser zurück und es wird gefragt, was denn mit diesem oder jenem Ausdruck genau gemeint war, auch werden auf diese Weise Logikfehler entlarvt.
Beginnt man jedoch damit, sich mit Terminologie zu beschäftigen und werden Ausdrücke (als Termkandidaten) auf den Prüfstand gestellt, dann werden dabei verschiedene Deutungen, also die dahinter stehenden Begriffe und deren Kontext, aufgedeckt, reflektiert und neu definiert.
Anschließend wird nach den prägnantesten und je nach Anwendung und Fachgebiet passendsten Termen gefahndet.
Folgende Fragen helfen, zum Beispiel die Fährte nach dem Begriff aufzunehmen:

  • Worum geht es?
  • Gibt es Abbildungen vom Gegenstand?
  • Welche Vorstellungen haben verschiedene Personengruppen (Fachleute, Redakteure, Entwickler, Vertrieb, Marketing) wenn sie einen bestimmten sprachlichen Ausdruck lesen oder hören?
  • Ist die Bedeutung für die Beteiligten gleich oder nicht gleich?
  • Wenn die Vorstellungen verschieden sind: Geht es um mehrere unterschiedliche Vorstellungen vom Gegenstand und/oder Sachverhalt (Begriffe)?
  • Um welchen Gegenstand oder Sachverhalt geht es (Begriffsklärung); in welcher Beziehung steht dieser Gegenstand zu anderen Gegenständen/Sachverhalten (Begriffsbeziehungen)?

Wie funktioniert es?

Das theoretische und praktische Fundament der Terminologiearbeit enthält Methoden und Werkzeuge, mit denen Texte „terminologisch bereinigt“ werden können. Das ist keine Zauberei, sondern lediglich Fleißarbeit, die sich früher oder später bezahlt macht.

Warum soll man in der Übung im Vortrag einen Gegenstand berühren?

Die ersten begrifflichen Vorstellungen entstehen im Menschen ungefähr im Alter von zwei Jahren durch das Berühren von Gegenständen. Auch wenn wir alle weitaus älter geworden sind, unser Gehirn tickt immer noch so; was man anfasst (greift), das begreift man leichter. Die Übung ist also eine Komfortzone für Ihr Gehirn. Es macht außerdem Spaß.

Wozu nützt das Ganze?

Terminologisch bereinigte Texte sind nicht nur nerven- und übersetzungskostenschonend; es sind vor allem qualitativ hochwertige, verständliche Texte mit eindeutigen Aussagen. Nur solche Texte erfüllen die grundlegenden Anforderungen aus gesetzlichen und normativen Vorgaben für die technische Dokumentation. Anders gesagt, ein Aneinander-Vorbeireden zwischen dem Ersteller (einer Dokumentation) und dem Nutzer darf es nicht geben.

Ich denke, dass Terminologiearbeit oder zumindest ein grundlegendes Verständnis für die Kernfragen der Terminologie für nahezu alle gegenwärtigen Kommunikationssituationen relevant sind. In einer Lebensrealität, in der zunehmend die Digitalisierung und Automatisierung Einzug hält, sind Systeme zur Wissensverwaltung und Kommunikation erforderlich und alltäglich geworden. Diese Systeme werden von Menschen organisiert (strukturiert) und mit versprachlichtem Wissen befüllt. Dabei sind die Erkenntnisse aus der Terminologielehre zu Begriffssystemen für die Erstellung von Taxonomien und für Ontologien hilfreich und die Erkenntnisse aus der Terminologiearbeit sind für logisch und sprachlich saubere, nützliche Einträge in Wissensspeichern unabdingbar.

Mehr Bewusstheit

Terminologiearbeit verhilft also zu mehr Bewusstheit; zum einen durch das Hinterfragen, was mit einem Ausdruck gemeint ist und zum anderen durch die bewusste Entscheidung für eine oder mehrere „erlaubte“ Benennungen.

Nachgelesen

Im Anschluss an die Veranstaltung wurden noch folgende Fragen diskutiert.

Wann beginnt eigentlich die Terminologiearbeit?

Wenn man es genau nimmt, eigentlich schon dann, sobald Wissen versprachlicht wird; siehe hierzu Petra Drewer und Klaus-Dirk Schmitz „Terminologiemanagement“, erschienen bei Springer Vieweg. In die Alltagssprache übersetzt: Sobald die ersten Texte entstehen, oder zum Zeitpunkt der Entwicklung eines Produkts, für das noch ein Name gefunden wird (die Produkt- bzw. Geräteart und der Funktionsumfang steht ggf. schon vorher fest).

Wie sieht es auf dem Arbeitsmarkt für Terminologen aus?

Stellenanzeigen, die ausschließlich einen hauptberuflichen Terminologen suchen, dürften eher rar sein. Aber davon sollte man sich nicht beeindrucken oder gar entmutigen lassen. Jedem, der Texte verfasst und dies werden wohl fast alle Absolventen machen, dem nützt terminologisches Grundwissen, siehe auch den Abschnitt „Wozu nützt das Ganze?“
Die Digitalisierung des Menschheitswissens macht es erforderlich, dass sich jeder Mensch bei seiner Kommunikation mit anderen und mit Systemen darüber klar wird, was er oder sie meint. Ferner ist auch eine Klärung nötig, ob das, was man liest oder hört und wie es (allgemeinhin) gedeutet wird, deckungsgleich ist mit dem, was man selbst darunter versteht.

Welchen besonderen Herausforderungen muss sich die Terminologie stellen, zum Beispiel bei der Lokalisierung?

GUI-Texte können eine Herausforderung darstellen, denn oft steht wenig Platz für die Beschriftung z. B. eines Menüpunkts oder einer Schaltfläche zur Verfügung. Die besondere Herausforderung liegt darin, Bezeichnungen zu finden, die möglichst wenige Zeichen lang laufen, gleichzeitig jedoch verständlich und prägnant sowie konsistent mit dem Gesamtkonzept der Benennungen aller Oberflächenelemente sind.

Stellen die sogenannten terminologischen Lücken ein Problem in der Praxis dar und wenn ja, wie wird es praktisch gelöst?

Eine terminologische Lücke beschreibt folgenden Sachverhalt: In einer Sprache gibt es eine oder mehrere Bezeichnungen für etwas, in einer anderen Sprache gibt es keinen Ausdruck dafür, daher der Name „Lücke“. Eigentlich ist dies eher das Tätigkeitsfeld der Übersetzer, die eine Umschreibung für die terminologische „Lücke“ finden; seltener ist der Fall überhaupt in der eigenen Sprache bemerkbar.
In der Praxis des Redaktionsalltags werden weitere Möglichkeit zur Veranschaulichung eines Sachverhalts genutzt, zum Beispiel Abbildungen.

Ausblick

Haben Sie sich für das Thema Terminologie erwärmen können oder für einen anderen Aspekt in diesem Artikel? Haben Sie Fragen, Anregungen oder Interesse an einer Veranstaltung zu dem Thema in Ihrem Haus? Nehmen Sie für Feedback und Fragen einfach Kontakt zu uns auf, ob digital oder nicht: Wir freuen uns in jedem Fall auf Sie!