„Hallo, Sie haben den Bildschirm nicht freigegeben.“
„HTML-Seminar“ oder richtiger „Webseitengestaltung mit HTML“ wird das Seminar genannt. Das Thema ist eher trocken und theoretisch. Die Vorkenntnisse der Teilnehmer liegen zwischen „Was ist das? Wofür brauche ich das?“ und „Ich habe früher selbst Webseiten entwickelt.“
Das erfordert einen didaktischen Spagat des Dozenten, denn schließlich soll jeder Teilnehmer etwas mitnehmen und ein gutes Seminar erleben.
Und jetzt auch noch als Online-Seminar. Was ist zu beachten?
Zunächst einmal: Warum es Spaß macht, Dozent zu sein
Da ich nicht regelmäßig als Dozent tätig bin, ist jedes Seminar und jeder Workshop eine besondere Herausforderung. Aber ich werde normalerweise belohnt mit einer Abwechslung vom Büroalltag, mit ein oder zwei doch unterhaltsamen Tagen voller Gespräche zum Thema mit den mir zunächst unbekannten Menschen.
Nach dem Seminar sind mir die Menschen aber nicht mehr ganz so unbekannt. Es gibt immer Momente, in denen die Teilnehmer oder der Dozent aus ihrem Leben berichten: Es werden beispielsweise Fragen gestellt, Beispiele gefordert und erklärt. Nicht immer sind dies ausschließlich themenbezogene Erfahrungen und Berichte.
Ablauf im Präsenzunterricht
Ich beginne mit einer vollständig leeren Textdatei, die dann im Verlauf von zwei Tagen mit dem Inhalt des Lehrplans gefüllt wird.
Was ich schreibe, ist an der Präsentationswand sofort sichtbar, sowohl die HTML/CSS-Texte als auch die daraus resultierenden Webseiten im Browser. Jeder Teilnehmer hat die Möglichkeit, selbstständig und unmittelbar an seinem Schulungsrechner auszuprobieren und jeder kann und soll sofort Fragen stellen.
Meistens rede ich frei und habe nur wenige Präsentationsfolien. Alles entsteht live im Seminarraum. Normalerweise bewege ich mich viel im Raum. Wenn ich nicht gerade Zeichen eingebe, stehe ich auf und erkläre mit allem, was der Raum hergibt.
Das Schöne ist, ein Seminar läuft immer anders ab.
Welche Vorkenntnisse bringen die Teilnehmer mit, welche Fragen werden gestellt, welche Fehler werden gemacht?
Ich versuche immer auf die Fragen und Fehler einzugehen und die Beispiele entsprechend auszuwählen. Werden praktische Übungen bearbeitet, sehe ich normalerweise direkt, was gemacht wird und höre, worüber gesprochen wird. Das greife ich dann wieder im Verlauf des Seminares auf.
Erfahrungen, die Teilnehmer bereits früher gemacht haben, nehme ich ebenfalls auf und lasse die Teilnehmer an eigenen Beispielen erklären, um ihr Wissen so zu vertiefen.
Ablauf im Online-Seminar
Das geht so auch online, habe ich gedacht.
Das stimmt im Grunde auch – aber leider nicht ganz.
Auf die Online-Seminare habe ich mich etwas länger vorbereitet, da ich keine Erfahrungen damit hatte. Das verwendete Medium „Zoom“ kannte ich vorher nicht.
Am Wochenende vor dem Online-Seminar habe ich einen erfolgreichen Testlauf mit meiner Familie unter realistischen Bedingungen gemacht: vier Teilnehmer in unterschiedlichen Räumen, zwei kannten Zoom von der Schule und Fachhochschule, zwei nicht. Der Testlauf hat mir die Sicherheit gegeben, dass technisch und didaktisch alles funktionieren wird.
Mein „TV-Studio“ bei tecteam, war technisch und räumlich sehr gut vorbereitet.
Der inhaltliche Ablauf war dann zunächst wie gewohnt und die Teilnehmer konnten sofort mitarbeiten. Meinen Monitor habe ich für alle Teilnehmer freigegeben. Es wurden Fragen gestellt – so sollte es ja sein.
Ich hatte jederzeit den Eindruck, dass alle „geistig“ dabei waren.
Wir haben regelmäßig, etwa stündlich, Pausen gemacht, was ich als sehr wichtig und notwendig empfunden habe, da die Konzentration bei dieser Lernform schnell schwindet.
Fazit: War das gut oder schlecht? – Ich weiß es nicht!
Fest steht: Mir fehlte ganz eindeutig die Bewegungsfreiheit, die durch die Studiosituation eingeschränkt wurde. Ein nebenstehender Betrachter hätte einen Menschen gesehen, der sich mit einer Textdatei und einem Browser unterhält. Die Teilnehmer konnte ich meistens nicht sehen, so fehlte die direkte Rückmeldung über das Lesen in den Gesichtern.
Da der direkte Austausch unter den Teilnehmern fehlt, werden sehr viel weniger Fragen gestellt. Gespräche finden nicht wie gewohnt statt. Normalerweise sehen die Teilnehmer nicht nur, was ich als Dozent vorgebe, sondern auch das, was ihre Sitznachbarn ausprobieren. Darüber entstehen im Seminarraum Gespräche. Diese Gespräche fehlen leider. Die Eigendynamik eines Seminars geht dabei ein wenig verloren.
Am Ende des Seminars wusste ich nicht, ob das Seminar eher gut oder eher schlecht gelaufen ist. Das ist mir so noch nie passiert. Klar – es gibt die Bewertungsbögen, aber normalerweise benötige ich diese nicht, um einen tendenziellen Eindruck zu haben.
Eine typische Kommunikation von Mensch zu Mensch, mit dem gewohnten Facettenreichtum ist über ein Online-Tool nur eingeschränkt möglich.
Hier müssen wir wohl alle, Teilnehmende und Dozenten, noch dazulernen.
Die Online-Seminare waren während der Corona-Zeit eine willkommene Abwechslungen vom Büroalltag. Es war für mich sehr interessant und hat Spaß gemacht, aber die teilnehmenden Menschen hätte ich in einem Präsenzseminar vermutlich besser kennen gelernt. Es ist gut und vermutlich zukunftsweisend, dass es diese Form der Wissensvermittlung in der heutigen Zeit gibt.
Aber ab und an ein Präsenzseminar möchte ich nicht missen. 😊
Hinterlasse einen Kommentar